Einfach mal machen!
Am 17. April 2016 ist es endlich so weit! Nach einer intensiven Reiseplanung, die auf einer sich zunehmend weiterentwickelten Idee beruht, trete ich meine große Zugfahrt an. Eine Zugfahrt, die mich von Berlin nach Saigon/ Ho-Chi-Minh-Stadt, der Hauptstadt Vietnams transportieren wird. Im Zug nach Vietnam: durch den Osten Europas, quer durch die Tief- und Hochebenen Sibiriens, durch die kargen Weiten der Mongolei, kreuz und quer durch das faszinierend vielseitige Reich der Mitte, entlang der Küste des tropischen Vietnams. Und schließlich noch ein Abstecher in das Herz Südostasiens.
Die Welt hat sich verändert
Dieser Reisebericht bezieht sich auf eine Reise, die ich im Jahr 2016 unternahm. Ganz ähnliche Reisen trat ich auch in den Jahren 2017 und 2018 an. Ich war vor allem beim ersten Mal relativ begeistert darüber, wie einfach es war, auf dem Landweg um den halben Globus zu reisen. Mit der Visa-Beschaffung etc. war in der Summe ein gewisser Aufwand verbunden … aber eigentlich gut handhabbar. Ansonsten erforderten die Reisen lediglich Zeit und eben die Freiheit, dies tun zu können. Seit Anfang 2020 hat sich das bekanntermaßen geändert. Die Corona-Pandemie zwang die Welt in einen anhaltenden Stillstand. Einige Länder haben sich abgeschottet – auch heute noch (Stand: Dezember 2022) sind einige Regionen keine Option für touristische Reisen. Ein Ende ist kaum vorhersehbar.
Im Februar 2022 kam dann der Krieg in der Ukraine. Eine Katastrophe für die dort betroffenen Menschen, die so keiner kommen sehen haben will.
Auch diese jüngste Tragödie zeigt, dass das subjektive Selbstverständnis, immer und überall hinreisen und mit Menschen und Kulturen in Kontakt treten zu können, tatsächlich ein großes Privileg ist – oder „war“.
Wir hoffen natürlich alle, dass sich alles bald wieder zum Positiven wendet. Vor allem im Sinne der Opfer von Krieg und Zerstörung. Aber auch im Sinne der Freiheit aller Menschen – und Reisenden.
Zur Zeit jedenfalls sind Reisen auf dieser Route leider nicht denkbar und in weite Ferne gerückt. Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit zu dieser Reise hatte und bleibe optimistisch im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen.
Transsibirische Eisenbahn
Wie so viele Menschen hegte ich bereits seit einigen Jahren den romantischen Traum, einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Russland zu reisen. Immerzu schob ich das Projekt auf … keine Zeit … Arbeit … Karriere … passt gerade nicht … bis meine Freundin während eines traumtänzerischen Gesprächs im Jahr 2015 zu mir sagte: „Mach das jetzt doch einfach mal!“. Okay, einfach mal machen! Gute Idee!
Schließlich bin ich nicht ganz unerfahren im ausgiebigen Zugreisen und hatte zuvor schon weite Teile Osteuropas auf Schienen erkundet. Immer irgendwie spontan, ohne konkreten Plan, ohne ein konkretes Ziel. Und das war gut so. Nun aber würde ich mich ehrfürchtig mit der „Zarin der Zugreisen“ einlassen. Das bedarf einer gewissen Vorbereitung, allein wegen der Visabeschaffung.
Doch mit wem genau lasse ich mich da ein? Ich beginne zu recherchieren, wie viel Zeit ich für die Strecke von Berlin über Moskau bis nach Wladiwostok einplanen müsste. Reine Fahrzeit: sieben Tage. Brutto jedoch drei bis vier Wochen, damit ich mir auch ausreichend Zeit gönnen kann, um mir die wichtigsten Orte entlang der Strecke anzuschauen. Offenbar ein Zeitrahmen, der sich gut mit jenem des russischen Touristen-Visums vereinbaren lässt.
Neben den schillernden westrussischen Metropolen Moskau und St. Petersburg gibt es weitere, vielen Westeuropäern weniger bekannte Großstädte wie das sympathische Jekaterinburg zu entdecken. Die Unendlichkeit der von Birken und Nadelhölzern dominierte westsibirischen Tiefebene, die Ausläufer des Sajangebirges, und schließlich der unvergleichliche Baikalsee.
Die Transmongolische Route – extended version
Bei der Recherche lerne ich zudem, dass es nicht die eine Transsibirische Eisenbahn-Route gibt, sondern insgesamt drei in Sibirien abzweigende Optionen, derer zwei in China enden … China …! Ich muss nicht lange weiterdenken, um zu beschließen, mit dem Zug bis nach China zu fahren. Durch die Mongolei bis nach Peking auf der Transmongolischen Route. Die – unter Touristen – populärste der drei Strecken. Während die klassische Transsibirische Route in Wladiwostok endet und ausschließlich auf russischem Terrain verkehrt, führt die Transmandschurische Route bis ins nordchinesische Harbin, jedoch ohne die Mongolei zu passieren. Die Entscheidung fällt leicht.
Erstmals würde ich in eine mir noch völlig fremde Kultur eindringen. Was würde mich dort erwarten? Was gibt es dort zu erkunden? Ich recherchiere. Die Mongolei – das am wenigsten dicht besiedelte Land der Erde, von dessen Einwohnern etwa 30 % ein nomadisches Leben führen. Unendliche Steppe, Halbwüste, Wüste, … die kälteste Hauptstadt der Erde. Ich beschließe, hier nicht einfach nur durchzufahren.
Ich werde das Zugabteil wohl mal für einige Zeit verlassen und für eine ausgiebige Outdoor-Tour in einen robusten UAZ Buchanka umsteigen, um nomadisches Leben in den unendlichen Weiten des Landes kennenzulernen. Ich plane also weitere zwei Wochen für dieses Abenteuer ein.

Im Zug durch China
Und dann wäre ich also in der Volksrepublik China, der aufstrebenden Weltmacht, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, mit seinen zahlreichen Ethnien, der kulturellen und landschaftlichen Vielfalt. Etwa 60 % der Landfläche sind durch Gebirge und Plateaus definiert. Ein unglaubliches kulturelles Erbe, kulinarische Vielfalt und der Reiz des großen Unbekannten.
Da muss wohl noch mindestens ein weiterer Monat eingeplant werden, bevor es wieder nach Hause geht. Nun, vielleicht sogar zwei weitere Monate. China ist groß. Sehr groß. Und mit einem Visum zur Mehrfacheinreise lässt sich noch ein Abstecher in eines der beiden Koreas in den Reiseplan integrieren. Zu einem der vielleicht skurrilsten Orte der Welt – der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea.
Im Zug nach Vietnam
Und dann wieder nach Hause? Jetzt bin ich schon so weit gekommen … Ich lese Dirk Sagers journalistisches Reisetagebuch „Berlin – Saigon, Eine Reise in die andere Hälfte der Welt“ (Besprechung auf handelsblatt.com). Eine Reise, die sich auch weitgehend auf Schienen abspielt. Jedoch wird etwa die chinesisch-vietnamesische Grenze im Bus passiert. Ich möchte diese längste mögliche Verlängerung der Transmongolischen Route bis nach Saigon komplett mit der Eisenbahn bewältigen.
Diese Projektidee bringt ein weiteres spannendes Land in die Reiseplanung. Vietnam. Der schlanke Küstenstaat im Osten des kontinentalen Südostasiens. Mit den aufstrebenden und geschichtsträchtigen Metropolen Hanoi im Norden und Ho-Chi-Minh/Saigon im Süden – mein ultimatives Reiseziel. Auch für dieses Land würde ich mindestens zwei, eher drei Wochen einplanen müssen. Atemberaubende Karstlandschaften und Strände, tropischer Jungle, aromatische Nudelgerichte, das Mekong-Delta, und worauf auch immer ich in diesem Land nicht vorbereitet sein würde.
Nun… und wenn man schonmal in der Nähe ist… nicht weit, im Nachbarland Kambodscha, das derzeit leider nicht per Zug zu erreichen ist, locken die beeindruckenden Tempelruinen von Angkor Wat, und die bewegte Geschichte des Landes. Eine Gelegenheit, die ich als Anhang an das Eisenbahnprojekt betrachte, und das sich schließlich als ein fantastisches Finale der langen Reise herausstellen würde.

Ich beschließe also, mich für insgesamt 4 ½ Monate auf den Weg, oder besser gesagt, auf die Schienen zu machen. Eine lange Reise, die mir neue und nachhaltige Eindrücke bescheren würde. Eine Reise durch so verschiedene Länder und Kulturen, die manche Erwartung bestätigen, aber auch viele Erwartungen und Klischees widerlegen sollte.
Eine Reise, die meine Denkweise und meine Sicht auf die Welt verändern wird. Es gibt viele kluge Zitate über den Wert des Reisens. Da es mit der Authentizität solcher Zitate jedoch nicht immer so weit her ist, verzichte ich hier darauf, mich unnötig auf intellektuelles Glatteis zu begeben. Denn nicht alle Wege führen nach Rom!
Meine Reise-Abschnitte
Eine lange Reise mit vielen spannenden Stationen – und viel zu erzählen. In meinem Reisetagebuch schreibe ich über meine persönlichen Eindrücke, Erfahrungen und Reflexionen. Daneben versuche ich, das Gesehene und Erlebte immer bestmöglich in den gegebenen kulturellen und historischen Kontext einzubetten und recherchierte Hintergründe anzubieten.
Jeder Station widme ich einen eigenen Beitrag in meinem Blog East Rail Stories. Direkte Links zu neuen Reiseabschnitten findest du unten gelistet. Für einen ersten Eindruck über meine Erlebnisse auf Schienen lade ich dich zum Lesen meiner Berichte über die einleitende Reise nach Moskau, meine Tour in der Transsibirischen Eisenbahn und die spannende Fahrt von Russland in die Mongolei ein. Ich freue mich natürlich immer über Feedback, eigene Erfahrungen und weitere Anregungen zum Thema.
Meine Reise führte mich zunächst quer durch Russland – mit der Transsibirischen Eisenbahn. Neben dem Baikalsee, dem Highlight der Transsib-Route, besuchte ich eine Reihe beeindruckender russischer Großstädte:
Die Transmongolische Route der Transsib führt mich weiter in die Mongolei. Hier besuche ich die Hauptstadt und organisiere von hier aus mein Abenteuer ins Land der Nomaden. Eine spannende Tour durch das mongolische Outback und ein Einblick in den nomadischen Alltag.
Die Transmongolische Route endet schließlich in Peking, nicht jedoch meine Reise. Mein Touristen-Visum erlaubt es mir, insgesamt 8 Wochen lang durch China zu reisen. Mit Abstechern an die Grenze zu Nordkorea, einer Fährenüberfahrt nach Südkorea, und einer aufregenden Bustour durch den tibetisch geprägten Südwesten Chinas.
Auf der Zielgeraden passiere ich die Grenze nach Vietnam. Dort fahre ich in Nachtzügen entlang der Küste des Südchinesischen Meeres von Hanoi nach Saigon, mit einigen spannenden Zwischenstationen und Ausflügen.
Nachdem das offizielle Reiseprojekt abgeschlossen ist, gönne ich mir noch den finalen Abstecher mit dem Bus nach Kambodscha, mit den fantastischen Tempel-Landschaften von Angkor Wat.
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Hinweis: Alle in diesem Artikel beschriebenen Reisen wurden privat finanziert. Ich erhalte keine finanziellen Zuwendungen von in diesem Artikel genannten Unternehmen oder anderen Organisationen.
super, dennis. lisboa-saigon steht schon viel zu lange auf meiner warteliste, vielleicht wird es 2022/23 was.
Vielen Dank. Oh ja, die ganze Strecke ab Lissabon wäre toll. Ich drücke die Daumen für nächstes Jahr.