1. Hintergrund meiner Reise
Als ich im Jahr 2016 auf meiner Zugreise von Deutschland nach Vietnam endlich in Peking ankomme, (zum Artikel ➠Im Nachtzug nach China) stehe ich vor einer Entscheidung.
Mein Visum erlaubt es mir, mich insgesamt acht Wochen im Reich der Mitte herumzutreiben. Das ist eine lange Zeit, um China zu erkunden. Aber China ist auch riesig und vielseitig.
Meine Reiseroute Richtung Vietnam führt zwangsläufig südwärts – etwa über die ➠alte Kaiserstadt Xi´an und Guilin.
Aber mich interessieren auch etwas weniger offensichtliche Ausflugsziele.
2. Warum nach Dandong reisen?
Der Norden Chinas taucht in nicht allzu vielen westlichen Reiseberichten auf. Besonders der Nordosten – Dongbei, der chinesische Teil der historischen Region Mandschurei – ist für mich ein noch unbeschriebenes Blatt.
Einzig der Roman „Wilde Schwäne“ von Jung Chang, den ich etwa 12 Jahre zuvor gelesen hatte, führte mich gedanklich dorthin, ohne dass ich das Setting damals richtig einordnen konnte.
In diesem faszinierenden Teil Chinas verschmilzt die chinesische Kultur spürbar mit den Einflüssen der benachbarten Länder Russland und Korea – genauer gesagt, Nordkoreas.
Das weckt natürlich meine Neugier. Wie mag es wohl an der nordkoreanischen Grenze aussehen? Gibt es dort Hostels für Backpacker? Bin ich dort überhaupt willkommen?
Ich wage den Abstecher zur Grenze Nordkorea-China.
Meine erste Fahrt mit dem chinesischen Schnellzug CRH führt mich vom Südbahnhof in Peking (Beijing Nan) nach Dandong, dem größten Handelsplatz Chinas mit Nordkorea.
Diese Stadt ist auch der Standort der legendären chinesisch-koreanischen Freundschaftsbrücke.
3. Reisebericht | Mit dem Zug durch Liaoning
3.1 Im Zug von Peking bis zur Grenze zu Nordkorea.
Die fünfstündige Fahrt zum zentralen Bahnhof in Dandong ist für mich als China-Neuling eine spannende Erfahrung.
Die Strecke führt durch das schwer-industrielle Zentrum Nordostchinas – vorbei an den Hochburgen des Kohlebergbaus und der Stahlindustrie – und bietet interessante Einblicke in die Landschaften und Städte entlang des Weges.
Oder auch nicht …
Die berüchtigten, chinesischen Smog-Schleier sind in dieser Region trübe Realität und vermitteln eine leicht dystopische Stimmung.
Große Städte sind am Horizont allenfalls als Silhouetten zu erkennen. Die strahlende Sonne ist nur selten sichtbar und die Sichtweite beschränkt sich auf wenige Kilometer.
Aber es zeigen sich auch bewaldete, hügelige Landschaften, die den Ortschaften der Provinz Liaoning einen grünen Schleier verleihen.
Karte der Zugstrecke Peking – Dandong
Große Städte sind am Horizont allenfalls als Silhouetten zu erkennen.
Die strahlende Sonne ist nur selten sichtbar und die Sichtweite beschränkt sich auf wenige Kilometer.
Aber es zeigen sich auch bewaldete, hügelige Landschaften, die den Ortschaften der Provinz Liaoning einen grünen Schleier verleihen.
Je nach Blickwinkel – verwunschene Landschaft oder gespenstische Szenerie. Auf jeden Fall besondere Eindrücke und eine besondere Erfahrung.
Die Verbesserung der Luftqualität ist übrigens ein zentraler Punkt des aktuellen Fünfjahresplans (Quelle: ➠chinadialogue.net) der Regierung und ich bin gespannt, wie sich diese schöne Landschaft in einigen Jahren vielleicht schon präsentiert.
3.2 Begrüßung am Bahnhof Dandong
Angekommen in der Stadt am nordkoreanischen Grenzfluss, werde ich am Bahnhof von einer riesigen, richtungsweisenden Statue des Großen Vorsitzenden Mao Zedongs begrüßt.
Sie dominiert den ersten Blick auf die Stadt und gibt mir vielleicht schon einen Vorgeschmack auf die Geschichte und Kultur, die mich hier erwartet.
Die City ist nicht besonders groß und ich spaziere entspannt in Richtung meines Hotels, um meinen ersten Eindruck von diesem spannenden Ort direkt zu schärfen.
Je weiter ich mich dem Ufer des Grenzflusses nähere, desto mehr nordkoreanische Restaurants tauchen auf.
Schräg gegenüber meinem Hotel spreche ich zwei traditionell-koreanisch gekleidete Kellnerinnen eines solchen Lokals an, als sie sich eine Pause an der Eingangstüre gönnen.
Sie geben mir sehr freundlich Auskunft, und ich fühle mich inspiriert, das Lokal später zum Abendessen aufzusuchen.
📌 Hintergrund | Liaoning
Die Stadt Dandong befindet sich auf Platz 8 der größten Städte in der Provinz Liaoning und hat eine Bevölkerung von etwa 2,5 Millionen Einwohner:innen.
Innerhalb des städtischen Bereichs leben zwischen 600.000 und 700.000 Menschen, was uns einen Eindruck von den Ausmaßen der chinesischen Bevölkerung gibt.
Vor meiner ersten Reise nach China kannte ich keine dieser Städte.
Aber mittlerweile weiß ich, dass es definitiv lohnenswert ist, diese Orte zu besuchen.
Sowohl Liaoning als auch der gesamte Nordosten haben faszinierende Geschichten zu erzählen.
Geschichten über die Geschichte, Geschichten über die Gegenwart. Wie erwähnt: kultureller Schmelztiegel, ethnisch dynamisches Gebiet.
In Dandong lebt unter anderem eine koreanische Minderheit. Zurückzuführen auf die Geschichte der Region als historisches koreanisches Siedlungsgebiet, und nicht zuletzt auf die offensichtliche Nähe zur koreanischen Halbinsel.
4. Erfahrungsbericht | Unterwegs in Dandong
4.1 Blick über den Yalu River
»Chinesisch-koreanische Freundschaftsbrücke
Mit dem Fernglas am Fenster
Ich checke im Hotel ein und blicke aus dem Fenster meines Zimmers – mein erster Blick auf Nordkorea.
»Auf diese Diva unter den Ländern.
Es sind nur ein paar Häuser, ein paar Industrieschornsteine, eingebettet in eine Fassade aus Grünzeugs.
Wäre es jedes andere Land der Welt, gäbe es keinen Grund, so aufgeregt hinüberzublicken.
Aber es sind eben nordkoreanische Häuser und nordkoreanische Schornsteine, eingebettet in nordkoreanisches Grünzeugs.
Und genau das ist das touristische Konzept dieser Stadt. Es gibt einige tolle Ausflugsziele in der näheren Umgebung.
Gebirge, die Große Mauer, …
Doch die Tourist:innen kommen, um viele Blicke auf die andere Seite zu erhaschen. Auf das geheimnisvolle Nordkorea.
Während meines Aufenthalts entscheide ich mich dazu, noch ein zweites Hotel aufzusuchen.
Es ist zwar deutlich teurer, aber ich gönne mir den näheren Blick über die Grenze nach Nordkorea in dieser Luxusabsteige an den Brücken.
Zu den Serviceleistungen gehört hier übrigens die kostenfreie Nutzung eines Fernglases, welches intuitiv auf der Fensterbank abgelegt ist.
Fortgeschrittener Grenzvoyeurismus.
Die wichtigste Sehenswürdigkeit in Dandong ist ein Brückenpaar, das die beiden Länder China und Nordkorea miteinander verbindet bzw. einmal verbunden hat.
Broken Bridge & Sino-Korean Friendship Bridge
Eine der beiden Brücken, die Broken Bridge (gebrochene Brücke) genannt wird, reicht nur etwa bis zur Mitte des Flusses und fungiert quasi als Freiluftmuseum, um die Heldentaten Chinas während des Koreakriegs zu ehren.
Die nordkoreanische Hälfte dieser im Jahr 1911 erbauten Brücke wurde 1950 gezielt durch ein US-amerikanisches Bombardement zerstört, was jedoch nicht verhinderte, dass China verstärkt in den Koreakrieg eingriff.
Die zweite Brücke wurde von der japanischen Besatzungsmacht im Jahr 1943 fertiggestellt und ist nach wie vor intakt:
Die Chinesisch-koreanische Freundschaftsbrücke bildet die Haupt-Reise- und Handelsverbindung zwischen China und Nordkorea.
Hauptsächlich oder ausschließlich LKWs und Züge nutzen sie.
Fußgänger:innen keinen haben keinen Zugang zu dieser Brücke über die Grenze Nordkorea–China.
Besichtigung der Broken Bridge
Gegen eine Gebühr von 30 ¥ kann ich jedoch die museale Broken Bridge touristisch erkunden. Ich mache also einen kurzen Spaziergang durch eine Allee roter chinesischer Nationalflaggen.
Eine ausdrucksstarke Demonstration der Stärke, mit Verweis auf den patriotischen Triumph im Koreakrieg.
Das touristische Highlight ist dabei die Aussichtsplattform in der Mitte des Flusses – dort, wo die Brücke eben gebrochen ist.
»Näher ans koreanische Ufer kommt man ohne Weiteres nicht heran.
📌 Hintergrund | Der Name des Flusses
Der Grenzfluss trägt sowohl den chinesischen Namen Yalu (鴨綠江) als auch den koreanischen Namen Amnok (압록강).
Yalu stammt vermutlich aus der Sprache der Manchu und bedeutet wohl so etwas wie Landesgrenze. Dessen Flussbecken war einst – vor mehr als 2000 Jahren – der Urspung des Aufstiegs des großen koreanischen Königreichs Gorguryeo (고구려).
Die Geschichte der antiken koreanischen Besiedlung dieser Region und weiterer Gebiete der Mandschurei reicht vermutlich noch sehr viel weiter zurück.
Heutzutage sind die geopolitischen Verhältnisse andere, und gen Süden blicke ich auf ein Land, das praktisch niemand auf dem Landweg bis an dessen Südspitze durchreisen kann.
👉 Lies jetzt meinen Artikel zur Bootstour am Yalu-Becken
➟Tigerberg an der Großen Mauer
4.2 Sinuiju | Die Hafenstadt am anderen Ufer
Auf der koreanischen Seite des Yalus, am Rande der Stadt Sinuiju (신의주시) sind ein Riesenrad sowie eine vermutliche Wildwasserbahn zu erspähen.
Das Ensemble eines nordkoreanischen Vergnügungsparks.
An diesem Tag sind die Karussells nicht in Betrieb. Man kann sich vorstellen, welche Vermutungen dazu vonseiten westlicher Touristen angestellt werden.
Ich entziehe mich einer Beurteilung und nehme die Ausgestaltung schlicht zur Kenntnis.
Ansonsten handelt es sich offenbar um eine gewöhnliche Hafenstadt, mit Hafenarbeitern, die Frachtschiffe beladen bzw. löschen.
Im südlichen Teil des Flusses erweitert sich der Bereich, und Fischerboote sind unterwegs, um ihren Tagesfang zu sichern.
Der Fluss mündet in der Nähe der südlichen Stadtgrenzen in die Koreabucht des Gelben Meeres, das in Korea auch als Westmeer bekannt ist.
Dadurch trägt der Yalu zu der zentralen Bedeutung von Dandong und Sinuiju als Handelszentren in der Region bei.
💡 Info | Mit dem Zug über den Yalu River
Auch westliche Touristen haben die Möglichkeit, im Rahmen einer geführten Tour mit dem Zug nach Nordkorea zu reisen.
Die meisten organisierten Zugreisen führen über Dandong und Sinuiju in Richtung Pjöngjang.
Es gibt verschiedene Reiseagenturen, die solche Abenteuer anbieten.
»Aktuell ist jedoch keine Einreise für Ausländer und damit auch keine Zugreise nach Nordkorea möglich (Stand: Februar 2024)
Der Personenzug nach Pjöngjang startet um 10:00 Uhr von Dandong (丹東市) aus und erreicht die nordkoreanische Hauptstadt um 18:15 Uhr.
Direkt nach der Abfahrt überquert er die chinesisch-koreanische Freundschaftsbrücke.
Handelsverkehr an der Grenze Nordkorea–China
Natürlich handelt es sich hierbei nicht um einen Touristenzug. Viele Händler pendeln zwischen den Ländern.
Da Dandong ein wichtiger Handelsknotenpunkt ist, ergänzt der Zug den Verkehr der zahlreichen Lastwagen, welche Konvoi-mäßig über die Brücke fahren.
Video – Zug über die Grenze Nordkorea–China
Die Bahnüberfahrt ist für viele Eisenbahnfreunde ein Highlight, und der ein oder andere Schaulustige findet sich am Morgen im Yalu River Park ein, um das kleine Spektakel zu bezeugen.
4.3 Fröhlicher Tourismus an der Uferpromenade
»Grenze zwischen China und Nordkorea
Bevor ich mich auf den Weg an die Grenze Nordkorea–China machte, hatte ich mit einem eher unaufgeregten, tendenziell tristen Grenzort gerechnet.
Doch das Gegenteil ist der Fall.
Nördlich der Freundschaftsbrücke wurden im Yalu River Park (鸭绿江公园) Monumente errichtet und viel Platz geschaffen.
Ich befinde mich quasi in einem Naherholungsgebiet mit Ausblick.
Ein Ort der Entspannung, der Freizeit, des Tourismus. Nicht ganz das, was ich erwartet hatte.
Rund um die beiden Brücken ist die Uferpromenade zu einer belebten Touristenzone ausgestaltet.
Zahlreiche kleine Verkaufsstände, die nordkoreanische Souvenirs wie Banknoten und patriotische Anstecknadeln anbieten.
Speis und Trank, Luftballons, kitschiges Spielzeug. Frauen hüllen sich in traditionelle, pinkfarbene koreanische Kleider und lassen sich ausgiebig ablichten.
Fröhliche Stimmung an der Grenze zu Nordkorea!
Ein am Ufer als Requisite für touristische Fotoshootings angebrachter Stein betitelt die Situation am Grenzfluss:
‚Wir befinden uns in Dandong am Yalu-Fluss an der Grenze zwischen China und Nordkorea.‚
Die Sonne scheint, die Menschen sind gut gelaunt – keine Spur von Tristesse.
Mit dem Boot über die Grenze
Eine besondere Attraktion für Tourist:innen ist eine Bootsfahrt auf dem Yalu River. Am Ufer werben Frauen mit Schildern dafür, dass man von den Schiffen aus einen exklusiven Blick auf die andere Seite bekommen kann – allerdings wird nur Chinesisch gesprochen.
Als mir eine der Werbetreibenden eine solche Tour andrehen möchte und mich schon zum Pier zieht, kommt ein junger Dude namens Harry hinzu.
Er spricht Chinesisch und ist Südkoreaner.
Er möchte gerne einen Blick auf den unerreichbaren Teil seines Heimatlandes werfen.
Er versichert mir, dass die von der Dame angebotene Tour zu teuer sei und winkt sie ab. Wir kommen ins Gespräch.
Als ich ihn frage, ob er an einer Bootsfahrt interessiert sei, reagiert er zunächst zögerlich.
Schließlich würde er sich quasi in feindliches Gewässer begeben – nicht nur „quasi“, sondern offiziell befinden sich Nord- und Südkorea immer noch im Kriegszustand und Bürger aus dem Süden sind im Norden nicht willkommen.
Ich kann ihn emotional ein wenig bearbeiten und überzeuge ich ihn davon mitzukommen und die Tour gefällt ihm sichtlich.
Von der Mitte des Flusses aus ist auch eins klar sichtbar – und Harry fasst es in Worte:
‚Am einen Ufer ein hoch-entwickeltes Land und am anderen Ufer ein unter-entwickeltes Land.‘
Wohl kaum anderswo ist dieser Kontrast so scharf und deutlich wie hier.
4.4 Moon Island und die Lichter der Stadt
Die bizarre Insel im Grenzfluss
Im Süden der City befindet sich eine Kuriosität, wie man sie nicht allerorts antrifft.
Die Moon Island ist eine künstlich angelegte Insel inmitten des Grenzflusses, ungefähr auf der Grenzlinie zwischen den beiden Ländern.
Auf ihr wurde eine Anreihung von acht Hochhäusern gebaut, die mit über 1000 käuflichen Luxusapartments aufwarten.
Diese Wohnungen werden als gesund und ökologisch beworben und bieten einen exklusiven Rundumblick.
Es handelt sich um die einzige bewohnbare künstliche Insel Nordostasiens.
Bei einer späteren Reise im Jahr 2017 habe ich in einem brandneuen Backpacker-Hostel hier eingecheckt.
Alles war von höchster Qualität – eines der gepflegtesten Hostels, in denen ich je gewohnt habe.
Chinesische Privilegien an der Grenze zu Nordkorea
Es gab einige chinesische Gäste und nur wenige westliche Besucher:innen.
Ein chinesischer Gast erzählte mir von seinem Tagesausflug nach Nordkorea, um seine koreanische Freundin zu besuchen.
Tatsächlich können chinesische Staatsbürger:innen für Tagestrips visafrei nach Sinuiju visafrei einreisen und viele scheinen dies auch zu tun.
Die Mondinsel wirkt insgesamt eher wie ein Resort als wie ein gewöhnliches Wohnviertel in China.
Die Geschäfte und Restaurants sind etwas exklusiver gestaltet und alles wird nachts noch intensiver beleuchtet – farbenfroher als sonstwo.
Alles ist sauberer und die Menschen kleiden sich feiner.
Dieses Viertel strahlt gehobenen Wohlstand aus – genau an der Grenze zwischen Volksrepublik China und der Demokratischen Volksrepublik Korea …
Der bereits erwähnte Kontrast zwischen den beiden Ländern wird von hier aus besonders deutlich – vor allem bei Nacht.
Von Moon Island hat man einen wunderbaren Blick flussaufwärts auf die Brücken, die am Abend auf der Seite Chinas hell und bunt beleuchtet sind.
Das Gleiche gilt für die gesamte Stadt. Auf der anderen Seite – in Sinuiju – sind dagegen nur vereinzelte Lichter zu erkennen.
Stockfinster ist dort drüben, in Nordkorea – nicht nur nach chinesischen Maßstäben.
4.5 Nordkoreanische Restaurants in Dandong
Devisenbringer für Pjöngjang
Ein außergewöhnliches Erlebnis während eines Besuchs an der nordkoreanischen Grenze ist ein Dinner in einem der vielen nordkoreanischen Restaurants.
Im Jahr 2016 wurden diese Lokale von Pjöngjang als Einnahmequelle betrieben und von nordkoreanischen Kellnerinnen bedient.
Aufgrund erweiterter UN-Embargomaßnahmen wurden nordkoreanischen Betriebe Ende 2017 jedoch durch die Regierung Chinas geschlossen.
Für viele südkoreanische und westliche Tourist:innen sind (oder waren) diese Lokale interessante Orte für eine kulinarisch-kulturelle Reise in das Land zwischen Yalu und demilitarisierter Zone.
Ich habe diese Restaurants mehrfach besucht und fand mich jeweils in bizarren Situationen wieder.
Du kommst hier nicht rein!
Als ich alleine dieses Restaurant besuche, dessen Mitarbeiterinnen mir nach meiner Ankunft in Dandong den Weg wiesen, stelle ich eine sehr freundliche Bedienungskultur fest, und mir gefällt auch mein würziges Tofugericht.
Ich bin der einzige Gast im Laden.
Abgesehen von einem Nebenraum, in dem sich eine Feier abzuspielen scheint. Es erklingt Musik und kollektiver Gesang.
Als ich fertig mit dem Essen bin, möchte ich einen Blick erhaschen und bewege mich in Richtung dieses Raumes.
Als ich mich nähere, winkt mir eine Kellnerin ab, schließt die Tür, und ich bewege mich devot zurück zu meinem Platz.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht schlicht zu indiskret war – bei dem Versuch, eine Privatveranstaltung zu stürmen.
Keine Fotos, Freunde der Freiheit!
Eines anderen Abends beschließen mein südkoreanischer Freund Harry und ich, ein größeres Lokal direkt an der Flusspromenade zu besuchen.
Ich finde die Konstellation ja ohnehin schon bizarr – Harry und die Angestellten aus Nordkorea können sich natürlich fließend unterhalten.
Er bestätigt mir, dass es teilweise Unterschiede im Akzent und Vokabular zwischen Nord- und Südkoreaner:innen gibt, was sich hier anscheinend auch zeigt.
Er bestellt eine kalte Buchweizennudelsuppe, Naengmyeon (냉면) (➟asiastreetfood.com), eine Spezialität aus Pjöngjang – und er ist begeistert.
Ähnlich wie ich von meinem scharf geschmorten Tofu, Dubu Jorim (두부조림) (➟eat-this.org).
»An der Wand hängt ein Fernseher, der nordkoreanisches Programm zeigt.
Als ich versuche, ein Foto davon zu machen, wird Harry darauf hingewiesen, dass das so nicht geht.
In der laufenden Nachrichtensendung ist schließlich eine „berühmte politische Persönlichkeit“ zu sehen.
No Photos(!), übersetzt mir Harry…
Draußen wird es langsam dunkel.
Auf chinesischer Seite werden die Brücken und Hochhäuser bunt beleuchtet.
Auf koreanischer Seite bleibt es weitgehend dunkel – abgesehen von einigen Details, wie etwa der Wildwasserbahn.
Als genau dies passiert, zieht die Kellnerin die Vorhänge zu. Wir hätten einen idealen Blick auf die Brücken gehabt.
Schließlich möchte Harry ein Selfie von uns beiden schießen. Mit seinem Smartphone.
Wir grinsen gerade lustig in die Linse, als die Kellnerin herbeieilt und Harry das Telefon aus der Hand reißt. Er ist verärgert.
Sie weigert sich, ihm das Gerät zurückzugeben, bevor sie die jüngsten Schnappschüsse kontrolliert hat.
»Es wird diskutiert. Ich verstehe natürlich kein Wort.
Aber klar: durch die Haltung beim Selfie-Versuch zeigte die Rückseite des Telefons in den offenen Raum, und in Richtung des TV-Geräts.
Die Kellnerin ist allerdings doch sehr freundlich und löst das Problem auf konstruktive Art und Weise.
Sie nimmt einige Schritte rückwärts, fordert uns auf, uns in Pose zu setzen und macht ein besseres Foto, als wir es zustande gebracht hätten.
Mein Freund bekommt sein Handy zurück und wir genießen die letzten Schlücke unseres Taedonggang Bieres (대동강맥주) aus Pjöngjang.
Taedonggang No. 2 „black Label“
30 % weißer Reis
70 % Gerstenmalz
Das beliebteste nordkoreanische Lagerbier.
Koryo Street
Neben den Devisen-Lokalen gibt es auch von Chinesen geführte Restaurants mit koreanischem Angebot.
Eine größere Ansammlung davon finde ich in der Koryo Street unweit der beiden Brücken nach Nordkorea.
Hier befinden (oder mittlerweile: befanden?) sich einige Unternehmen, die Handel mit Nordkorea betreiben.
Mit den entsprechenden kulinarischen Annehmlichkeiten.
Wenn dir also der Besuch eines nordkoreanischen Restaurants zu ausgefallen ist, kannst du dich hier immerhin authentischen kulinarischen Genüssen hingeben.
5. Praktische Tipps für Dandong
5.1 Anreise mit dem Zug
- Der Schnellzug (G3691/ G3693) fährt 2 x pro Tag ab Beijing.
»eine Fahrt in der 2. Klasse kostet ca. 60 € »die Reisezeit beträgt etwa 5 Stunden
»Laut dem aktuellen Fahrplan (Februar 2024) fährt der Zug vom neuen Bahnhof Beijing Chaoyang (北京朝阳站) - Der Nachtzug K27 Richtung Pjöngjang ist etwas günstiger
»ein Bett im Großabteil (Hard Sleeper) kostet ca. 37 €, ein Sitzplatz (Hard Seat) ca. 20 €
»die Reisezeit beträgt etwa 14 Stunden »verkehrt ab Beijing Railway Station (北京火车站)
»aktuell (Februar 2024) lässt sich dieser Zug offenbar nicht buchen
(vermutlich wegen der nordkoreanischen Einreisebestimmungen)
📌 Für aktuelle Fahrpläne und Buchungen von Zugtickets empfehle ich die Reiseagentur: ➟travelchinaguide.com
5.2 Aufenthalt | Hauptsehenswürdigkeiten
Für einen Besuch Dandongs reicht ein voller Tag, um alle Sehenswürdigkeiten in der Stadt zu besichtigen
- Broken Bridge
- Bootstour auf dem Yalu
- Moon Island
- Koryo Street
Im Norden des Yalus wurde mittlerweile die sehenswerte, moderne Neue Yalu Brücke errichtet, wird aber erst in Betrieb genommen, sobald auf nordkoreanischer Seite neue Zollanlagen gebaut wurden.
Aktuell (Februar 2024) dürfte dort also noch kein Verkehr herrschen.
5.3 Unterkünfte in Dandong
Bei ausreichend Budget empfehle ich eins der großen Hotels (z.B. das Zhonglian Hotel) direkt am Ende der Freundschaftsbrücke (ca. 40–50 Euro pro Nacht).
»Spannend sind auch die Unterkünfte auf der Moon Island.
Ich war dort 2017 in einem damals neuen und sehr freshen Hostel untergbracht, dem Dandong Bless House International Youth Hostel.
Es scheint aber so, dass dieses Hostel die Pandemie nicht überlebt hat!
❗Wenn du in Dandong ein neues Hostel entdeckst, das noch nicht in den üblichen Buchungsportalen zu finden ist, freue ich mich natürlich auf eine Nachricht von dir 👉 hello@east-rail-stories.de
5.4 Essen in Dandong
Die Stadt ist wirklich voll mit authentischen chinesischen und koreanischen Restaurants.
Da musst du gar nicht lange suchen.
Im touristischen Bereich (nahe der zwei Brücken) gibt es auch einige westliche Coffee-Shops mit entsprechenden Speisen (sofern die Läden die Corona-Pandemie überstanden haben ?)
Mein Tipp!
👉 Eines der koreanischen Lokale in der Koryo Street.
In der Umgebung von Dandong
Ich empfehle unbedingt einen Tagesbesuch des ➟Tigerbergs (Hushan, 虎山长城), dem (angeblich) östlichsten Endpunkt der Großen Mauer.
- Die Busfahrt dauert etwa 40 Minuten.
- Für diese Tour unbedingt einen vollen zweiten Tag einplanen!
Disclaimer: Dies ist ein Reisemagazin, das sich mit dem Reisen an sich, der Kultur und den Begegnungen mit Menschen auf der ganzen Welt beschäftigt. Ich bemühe mich, meine Berichte generell möglichst wertfrei und weltoffen darzustellen. Meine Reisen sind keine Staatsbesuche und ich gebe hier keine Urteile – weder im positiven noch im negativen – zu den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in den besuchten Städten und Ländern ab.
Hinweis: Alle in diesem Artikel beschriebenen Reisen wurden privat finanziert. Ich erhalte keine finanziellen Zuwendungen von in diesem Artikel genannten Unternehmen oder anderen Organisationen.
Credits für Übersetzungen aus dem Chinesischen: Yang Cui
Hallo Denis
Na toll, dank Deines Berichtes, ist mein Fernweh geweckt. Toll auch und danke dafür.
Mit Plattfuß und Kettenriß
Mike
Dein Bericht ist super spannend! Ich bin vor vielen Jahren von Pjöngjang nach Peking mit dem Zug gefahren und bin damals ziemlich sicher durch Dangdong gefahren. Ich kann mich ebenfalls erinnern wie dunkel es in Nordkorea war und wie hell beleuchtet die Stadt am anderen Ufer war. Und wie modern plötzlich alles ausgesehen hat in China! Irgendwie ist dein Bericht eine Zeitreise für mich…
Vielen Dank, Gudrun. Ja, der Zug Pjöngjang-Peking fährt definitiv über Dandong. Dann hast du also auch eine dieser DPRK-Touren gemacht. Ich war 2017 in Pjöngjang, und habe mich auf der Zugfahrt zurück nach China leider nicht getraut, Fotos zu machen.
Liebe Grüße
Dennis