Auf dem Weg in die Mongolei: Durchreise durch Ulan-Ude
Ulan-Ude (Улан-Удэ) ist eine typische sibirische Stadt, jedoch mit der Eigenart keine typische sibirische Stadt zu sein. Denn hier spüre ich wie an keinem anderen Ort in Russland, dass ich mich bereits weit im Osten Asiens befinde. Zwar wird das Stadtbild weiterhin durch die zahlreichen sibirischen Holzhäuser, real-sozialistische Zuckerbäcker- und Brutal-Architektur sowie durch liebliche Bronzestatuen dominiert. Jedoch machen ethnische Burjaten mit ca. einem Drittel der Bevölkerung die zweitgrößte demografische Gruppe aus, und nicht zuletzt das nahe gelegene buddhistische Iwolginsky-Kloster und der Dazan Rinpotsche Bagscha zeugen von der hier herrschenden fernöstliche Kulturdichte.
Der burjatische Name Ulan-Ude bedeutet Rote Uda, was auf den Zufluss des Flusses Uda in die mächtige Selenga in der Peripherie der Stadt verweist. Bis ins Jahr 1934 trug die Stadt den Namen Werchne Udinsk (Верхнеу́динск, Oberudinsk), und die Geschichte des Orts reicht (mit wechselnden Namen) auf seine Gründung als Kosakensiedlung im Jahr 1666 zurück. Heute ist Ulan-Ude die Hauptstadt der autonomen Provinz Burjatien und pflegt seine Bedeutung als kulturelles und industrielles Zentrum in der Region. Ich freue mich darauf, meinen Tag hier zu nutzen, um kultureller Vergangenheit und Gegenwart auf die Spur zu kommen.
Mein Reisebericht Ulan-Ude
Ankunft in der Hauptstadt von Burjatien
Als ich am Nachmittag nach einer achtstündigen Zugfahrt aus Irkutsk am Bahnhof von Ulan-Ude ankomme, treffe ich zunächst die Entscheidung, mich kurz zu verlaufen, um die Umgebung nordöstlich der Gleise etwas zu begutachten. Nun gut … um in Richtung der Innenstadt zu gelangen, muss ich dennoch die rostig-eiserne Überführung aufsuchen, die auf der Bahnhofsrückseite direkt vor meinem Hostel, dem Clean Hostel in der Hauptstraße Ulitsa Borsoeva (улица борсоева) endet.
Das Hostel wirkt zunächst eher wie eine Absteige für Händler. Genau dies habe ich angesichts der Nähe zum Bahnhof Richtung Ulan Bator erwartet, und mir auch entsprechend ausgesucht. Mein Zug in die mongolische Hauptstadt fährt um 6:36h am übernächsten Morgen ab. Und als notorischer Nicht-Frühaufsteher wollte ich meine Chancen auf das rechtzeitige Erreichen des Zuges möglichst aufwandsfrei maximieren. Da die meisten Gäste tatsächlich Gruppen chinesischer und mongolischer Dienstreisender zu sein scheinen, ist auch das Personal sprachlich nicht vollständig auf westliche Backpacker vorbereitet.
Dies ist die Gelegenheit, mich mit meinem allenfalls rudimentären Russisch durch-zu-kommunizieren. Auch im Hinblick auf ein Gespräch mit einem klischeehaft-angetrunkenen Russen komme ich hier auf meine Kosten. Dazu muss ich sagen, dass dies eine von nur drei derartigen Begegnungen (neben St. Petersburg und Zugfahrt Krasnojarsk-Irkutsk) ist, und ich russische Sauf-Klischees nicht wirklich bestätigen kann. Jedenfalls nicht über deutsche Standards hinausgehend. Nachdem der trinkfreudige Kumpane des Hauses verwiesen wird, mache ich kleinere Besorgungen im Supermarkt um die Ecke, um den Abend bei einer Art selbstgemachtem Chili-con-alleswasichsoimSupermarktaufgetriebenhabe im Hostel zu verbringen.
Mal sehen, welche Begegnungen mich hier erwarten.
Reisebegegnung – Auf dem Weg ins Abenteuer
Je weiter ich mich der Mongolei nähere, desto abenteuerlustiger werden die westlichen Reisenden, auf die ich in den Gemeinschaftsräumen und Küchen der Hostels treffe. Eine deutsch-mongolische Familie, die gerade eine Bus-Odyssee aus der Mongolei hinter sich hat, taucht sichtlich ausgelaugt am Abend im Hostel auf.
Andreas ist Musiker und erzählt, dass er über 10 Jahre als solcher in der Mongolei gearbeitet habe. Er berichtet mir von den unzähligen Möglichkeiten in und aus der Mongolei zu reisen, über die Fahrstile der Fahrer von Bussen und Marschrutkas. Abenteuerliche Geschichten über die Touristen-Schlepper und über die Grenzbeamten an der russisch-mongolischen Grenze.
Ich bin in diesem Moment froh, ganz klassisch ein Zugticket in der Tasche zu haben und hoffentlich ganz entspannt über die Grenze zu kommen. Aber reizvoll klingen diese abenteuerlichen Grenzübergänge durchaus. Würde mich diese Art der Abenteuerlust vielleicht später auch noch packen …?
Im Stadtzentrum – Entlang der Lenin-Straße
Als Hauptstadt der russischen Provinz Burjatien ist Ulan-Ude ist auch der Ort, an dem Lenin auf den Buddhismus trifft. Was etwas zynisch klingt, wird hier jedoch schnell Realität. Denn die wichtigsten Sehenswürdigkeiten erinnern entweder an den Revolutionsführer, oder sind Orte aktiver buddhistischer Glaubenspraxis.
Für meine Stadtbesichtigung plane ich einen Spaziergang, entlang der zum entspannt Flanieren einladenden Lenin-Straße: die Ulitsa Lenina (улица ленина), die im Süden an der Hodegetria-Kathedrale (Свято-Одигитриевский собор), dem ältesten Steingebäude der Stadt, endet.
Die Straße erreiche ich über die von der Borsoeva abzweigende Ulitsa Sukhe-Batora (Улица Сухэ-Батора), die den Namen eines mongolischen Revolutionsführers und Verbündeten der Roten Armee trägt. Bereits vor einem Geschäftsgebäude auf der Borsoeva waren mir die Statuen mongolischer Reiter aufgefallen. Offenbar bedienen sich hier sowohl Stadtverwaltung als auch private Unternehmer der kraftvollen Symbolik mongolischer Geschichte.
Auf der Lenin-Straße bekomme ich viele der – teils imposanten – örtlichen Sehenswürdigkeiten zu sehen. Und auch die ausgewogene Mischung aus klassizistischer und sozialistisch-klassizistischer Architektur sind – besonders bei dem mir gegönnten schönen Wetter – sehr reizvoll. Im Norden startet die Straße an der riesigen-Lenin-Büste aus Granit, dem wohl markantesten lokalen Relikt aus der Sowjet-Ära. Der 1971 errichtete revolutionäre Kopf hat eine Höhe von 7,70 m und ist damit der Größte seiner Art weltweit. Auch vor diesem Denkmal befindet sich ein weitläufiger, typisch russischer, mit Linien markierter betonender Platz, der Platz des Sowjets (площадь советов).
Reisebegegnung – Lenin-Kult in Russland
Ich persönlich kann diesem rustikalen, und doch offenen Stil durchaus etwas abgewinnen und verweile gerne an diesen Orten. Auch hier wundere ich mich, warum diese Monumente des real-sozialistischen Personenkults nach wie vor in allen großen Städten an solch zentralen Plätzen zu finden sind. Ich versuche jedoch weiterhin, mich dem Ganzen wertfrei zu nähern, und mir auch immer die historischen Erfahrungen der Menschen und die vielschichtigen Kämpfe in der russischen Geschichte vor Augen zu führen – und vor allem von den gemachten Beobachtungen zu lernen. Nichtsdestotrotz wurde mir zuvor – in Irkutsk – von einer glühenden Anhängerin der Romanow-Dynastie berichtet, dass all die Lenin-Denkmäler und Relikte der Sowjetunion nicht besonders beliebt in der Bevölkerung seien. In ihrer Erzählung fiel durchaus der Begriff „Hass“, mit emotionalem Ausdruck …
In Krasnojarsk, andererseits, sah ich am 1. Mai zahlreiche, offensichtliche Anhänger der Arbeiter-Bewegung vor der dortigen Lenin-Statue in alten Erinnerungen schwelgen. Vermutlich lässt sich der heutige Geschichtsbezug der Menschen nicht so leicht zu einer knappen Formel vereinfachen und ist ebenso vielschichtig wie die Geschichte selbst.
Unweit der Statue befindet sich ein weiterer, in der allgemeinen Wahrnehmung vermutlich geschmackvoller gestalteter Platz; nämlich jener des Musikalischen Brunnens (Музыкальный фонтан) vor dem Burjatischen Staatlichen Opern- und Balletttheater (Бурятский государственный академический театр оперы и балета). Der liebliche Springbrunnen vor dem ebenso ansprechenden Theatergebäude wird mit eleganter, klassischer Musik beschallt.
Wer also vor der Lenin-Büste noch nicht des Pausierens überdrüssig geworden ist, wird sich hier sicher gerne eine kleine Rast gönnen und die Atmosphäre genießen, und vielleicht versuchen, die ein oder andere Symphonie synchron und Kultur-fest mitzupfeifen. Die gegebene Melodie darf man dann weiter als hoch-kulturellen Ohrwurm auf dem Spaziergang mitnehmen.
Denn nicht weit von hier befindet sich bereits das nächste, klassizistisch angehauchte Highlight, welches vor allem durch seine exponierte Lokalisierung am Abstieg der Straße hervorsticht: das Zarentor (Царские ворота). Genau genommen handelt es sich um den Triumphbogen zu Ehren des Besuchs von Zarewitsch Nikolaus (Nikolaus II.) im Jahre 1891, welcher – einst ein Holzbogen – im Jahre 2006 in der heutigen Form wiedererrichtet wurde.
Hier bietet sich nicht nur ein schöner Blick hinunter in den unteren Stadtteil Richtung Uda, sondern auch eine schöne Foto- und Fernsehkulisse. So darf ich an diesem Tag eine rasende Kinderreporterin bei der Arbeit beobachten. Vermutlich berichtet sie über den Besuch des Thronfolgers am 20./21. Juni 1891, wie es die Inschrift am Bogen verrät; vermutlich aber berichtet sie in Wirklichkeit über etwas völlig anderes, etwas noch weitaus Spannenderes.
Spannend blieb auch mein weiterer Spaziergang, denn nach einigen Schritten die Hauptstraße hinuntergeht die Lenina in eine sehr schöne Fußgängerzone über, die am Beginn direkt mit einer sehr interessanten Statue aufwarten. Diese stellt einen von zwei Schlangen umwundenen Hermesstab sowie ein auf das burjatische/mongolische Kulturerbe hinweisendes Sojombo dar. Das hier ausgewählte Element des Sojombos repräsentiert die Einheit von Sonne, Mond und Feuer, und schmückt als Nationalsymbol die Flaggen der Mongolei und der Republik Burjatien.
Diese Gesamtdarstellung schmückt auch das Stadtwappen Ulan-Udes. In diesem Wappen – anders als im irkutsker Pendant- finde ich zunächst keine Zobel-fressende Provokation in Richtung Nowosibirsk (so es denn wirklich so interpretiert werden darf). Doch war eben jener jägerische Babr durchaus auch auf dem früheren Stadtwappen von Werchne Udinsk (Верхнеуди́нск) bis ins Jahr 1920 abgebildet. Das Zobel-Opfer zieht sich also regelrecht wie ein blutroter Faden durch die Geschichte ostsibirischer Stadtsymbolik, wie auch der pelzige Zobel selbst.
Die Fußgängerzone endet an der Kreuzung Kirow Straße (улица кирова), in welcher – einige Schritte nach links – ein Obelisk auffällt, welcher jenen Helden gewidmet ist, die ihre Leben der Verteidigung des Kommunismus geopfert haben. Errichtet wurde er auf dem Platz der Revolution (Пло́щадь Револю́ции), dem ersten zentralen Platz und ehemaligen Basar der Stadt. Hier ist auch einiges Los, und zur Unterhaltung der jüngeren Teilnehmer des städtischen Lebens gibt es elektronische Autos, die sich – wie schon in Irkutsk beobachtet – in dieser Region scheinbar größerer Beliebtheit erfreuen.
Nach einigen weiteren (großen) Schritten ab der Lenin-Straße stehe ich schließlich vor der prächtigen, sibirisch-barocken Hodegetria-Kathedrale, mit ihren sattblauen Dächern und spitz zulaufenden, goldenen Zwiebelkuppeln. Eingebettet in eine Nachbarschaft mehr oder weniger gut erhaltener Holzhäuser, ist dies ein schöner Abschluss des Sightseeing-Programms in der Innenstadt von Ulan-Ude.
Hier ist einiges los: laufend betreten und verlassen Gläubige die Kirche und das Gelände – überwiegend ältere Menschen, aber auch einige Jüngere, die alle vor dem Eingang zum Gotteshaus das Kreuzzeichen machen. Ich bin etwas verunsichert und entschließe mich dazu, das Gotteshaus nicht von innen zu besichtigen. Zwar habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass ich als Tourist an solchen Orten willkommen geheißen werde. Da dies aber kein klassischer Touri-Ort ist, habe ich etwas mehr das Gefühl, zu stören … vielleicht beim nächsten Mal.
Ulan-Ude ist zwar ein wichtiger Standort auf der Transmongolischen Eisenbahnroute ist – westliche Touristen tauchen hier jedoch weniger zahlreich auf als etwa in Irkutsk.
Auf dem Rückweg zum Ausgangspunkt mache ich einen Abstecher in das Naturkundemuseum Burjatiens (Музей Природы Бурятии), welches sich ebenfalls in der Lenin-Straße befindet und diesen Abstecher auch wert ist. Hier informiere ich mich über Flora, Fauna und Abmessungen des Baikalsees. Leider sind die meisten Infotafeln ausschließlich auf Russisch. Dennoch sind viele der liebevoll erstellten Exponate selbsterklärend und daher auch ohne Sprachkenntnisse völlig betrachtungswürdig.
Buddhismus in Ulan-Ude – Dazan Rinpotsche Bagscha
Schließlich muss ich mich zum Höhepunkt des Aufenthaltes noch für den Besuch eines Dazans, einer burjatisch-buddhistischen Klosterschule entscheiden. Grundsätzlich gibt es in der Umgebung von Ulan-Ude zwei solcher Komplexe: zum einen das altehrwürdige, ca. 30 km südwestlich gelegene Iwolginski Dazan (Иволгинский дацан); zum anderen das erst 2002 erbaute Dazan Rinpotsche Bagscha (Ринпоче багша), welches sich im direkt nördlich an die Stadt grenzenden Gebirge befindet und einen guten Blick auf Stadt und Flussläufe bieten würde.
Da mir auch vonseiten des Hostels eine Tour zu letzterer Option empfohlen wird, mache ich mich in der Marschrutka Nr. 97 (fährt ab Hotel Baikal Plaza, gegenüber der Lenin-Büste) erfolgreich auf den Weg dorthin. Auch bei dieser Marschrutka-Erfahrung stelle ich mich etwas an, und merke erst bei der Rückfahrt, dass man nun mal erst beim Aussteigen bezahlt.
Komischerweise beeindruckt mich das Selbstbewusstsein eines kleinen – vielleicht 10-jährigen – Mädchens, das unterwegs irgendwo zu und wieder aussteigt, und eben ganz selbstverständlich die Abläufe kennt, versteht und anwendet. Ich hoffe insgeheim, dass ich in meiner Heimatstadt ein ähnlich sicheres Verhalten bei derartigen Routine-Operationen abliefere. Aktuell bin ich jedoch am Zweifeln.
Schließlich und sicher angekommen, würde ich mit dieser Klosterschule also zum ersten Mal eine authentische buddhistische Einrichtung betreten, und mich schon einmal auf weitere, in der Mongolei auf mich wartende Eindrücke vorbereiten können. Zunächst ist das Kloster selbst gar nicht besonders spektakulär, und die größere Freude kommt bei dessen Umrundung auf einem hölzernen Pfad durch eine skurrile Parade von bunten Skulpturen chinesischer Tierkreiszeichen auf.
Erst später in der Mongolei lerne ich, dass die „Eier“, welche jede der Skulpturen gehäuft in den Händen hält, keine Eier, sondern Flammen darstellen. Diese Flammen symbolisieren demnach Glück, Unerschütterlichkeit und Erfolg, was sich im weitesten Sinne auch mit der Flammensymbolik im Sojombo-Symbol deckt. Je nach Quelle und Komposition finde ich bei der Recherche unterschiedliche Erklärungen für buddhistische Flammensymbolik. Hier eröffnet sich mir bereits ansatzweise die Komplexität buddhistischer Philosophien, der unterschiedlichen Schulen und davon abgeleiteter Kultur.
Hintergrund: Buddhismus in Burjatien
Die in Burjatien dominierende buddhistische Richtung folgt der vorherrschenden Gelug-Schule des tibetischen Vayrajana-Buddhismus (alias Lamaismus), und trat im 18. Jahrhundert von der Mongolei seinen Weg in die Region um den Baikal-See an. Das bedeutet auch, dass die spirituelle Einflusssphäre des Dalai Lama bis in den Fernen Osten Russlands reicht.
Wenngleich der Dalai Lama selbst – entgegen meiner bisherigen Annahme – nicht als das geistige Oberhaupt des Lamaismus zu sehen ist, sondern als ein einst durch einen mongolischen Führer (Altan Khan) eingeführter Ehrentitel für auserwählte, reinkarnierende buddhistische Gelehrte. Diese Beschreibung greift freilich viel zu kurz und wird der Komplexität des Themas „Buddhismus“ kaum gerecht. Mich faszinieren jedoch zu Beginn meiner Reise durch die fernöstliche(n) Kulturlandschaft(en) die unerwarteten Erkenntnisse über geografisch-historischen Zusammenhänge – vor allem zwischen mongolisch-burjatischer und tibetischer Kulturgeschichte – und so versuche ich mich schrittweise darauf einzulassen und jede neue kulturelle Überraschung willkommen zu heißen.
Vermutlich sind genau diese Prozesse gemeint, wenn das geflügelte Wort „Reisen bildet!“ seinen Weg über weise Lippen antritt.
In aller Kürzer lerne ich, dass die tibetisch-mongolische Vajrayana-Schule versucht, das Weltliche in den Pfad zur Erlösung zu inkorporieren, anstatt es zu überwinden. Im Unterschied zu anderen Schulen spielen tantrische Lehren und Übungen eine zentrale Rolle in der täglichen Praxis, und dienen der Beschleunigung des Prozesses.
In anderen Worten: reales Leid, Emotionen und Sehnsüchte lassen sich reflektierend in positive spirituelle Energie umwandeln, und die Erleuchtung ist für jeden durch diszipliniertes Beschreiten eines stufenweisen Pfades noch zu Lebzeiten zu erlangen. Auch diese Differenzierung ist natürlich stark vereinfacht, hilft mir jedoch dabei, das Grundkonzept buddhistischer Lehren erstmal ansatzweise zu verstehen, und mein Bewusstsein für dessen philosophische Tiefe zu schärfen.
Ausblick über das Selenga-Tal
Rein optisch fällt mir bei lamaistischen Klöstern und Tempeln eine gewisse Bescheidenheit auf, die den etwas pompöseren Stupas und Statuen der südostasiatischen Theravada-Schule gegenüberstehen. Auch die atmosphärisch-bunten Fahnenmeere, Mantras und Gebetsmühlen prägen das Bild der Glaubensausübung hier weitaus stärker, wie ich finde. Einiger dieser Elemente bin ich ja bereits am Baikalsee begegnet, was meinen emotionalen Eindruck jedoch keineswegs schmälert.
So schön bereits die Innenansichten der Stadt gewesen sein mögen; der Ausblick von oben, umgeben von spiritueller Symbolik, bringen mich einen Schritt weiter auf meiner Reise. Ich sehe die Selenga sich durch die burjatische Landschaft nordwärts Richtung Baikalsee schlängeln. Ich bin einen Tag zuvor aus nordöstlicher Richtung angereist. Morgen geht es weiter, und ich freue mich nach diesen Eindrücken umso mehr auf meine Reise in die Mongolei.
Fazit
Mein Zwischenstopp in Ulan-Ude ist zugleich ein Rückblick auf die vorigen Reiseabschnitte in Russland und ein Ausblick auf die anstehenden Abenteuer in der Mongolei und China. Ich verabschiede mich zunehmend von den westlichen und russisch-orthodoxen Prägungen, der Sprache, den Menschen.
Ein letzter Blick auf die scheinbar vorherrschende Sowjet-Romantik und die paradoxe Koexistenz von Gestern und Heute. Ein erster Blick auf die Ewigkeit der Lebenszyklen in modernem Gewandt: Authentischer Buddhismus und Sojombo. Einstimmung auf einen anderen Kulturkreis. Ich fühle, ich bin in Asien angekommen.
Reisetipps Ulan-Ude
Einen Zwischenstopp in Ulan-Ude empfehle ich allen, die mit der Transmongolischen Eisenbahn auf dem Weg von Irkutsk nach Ulaanbaatar oder Peking sind. Für einen entspannten Aufenthalt reichen 2 Tage auf jeden Fall aus.
Die Innenstadt und das Kloster Dazan Rinpotsche Bagscha kannst du zusammen an einem Tag erkunden. Wenn du auch das Kloster Iwolginski Dazan besuchen möchtest, wäre ein weiterer Tag sinnvoll, da es etwas weiter vom Zentrum entfernt liegt.
- Unterkunft
➨ Clean Hostel (zur offiziellen Website)
➨ direkt am Bahnhof gelegenes Hostel mit Dorms und Privatzimmer
➨ viele Händler auf Durchreise – daher rustikale, aber authentische Atmosphäre - Kultur
➨ Hodegetria-Kathedrale (zur offiziellen Website)
➨ Dazan Rinpotsche Bagscha
Anfahrt: Marschrutka Nr. 97 ab Hotel Baikal Plaza, gegenüber des Lenin-Kopfs bis Endstation (ca. 20 Minuten)
➨ Iwolginski Dazan – ca. 30 km von Ulan-Ude entfernt
Anfahrt: Minibus Nr. 130 bis Iwolginsk (ca. 40 Minuten), dann Minibus “Дацан” (ca. 20 Minuten)
➨ Naturkundemuseum Burjatiens (zur offiziellen Website – auf russisch)
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Hinweis: Alle in diesem Artikel beschriebenen Reisen wurden privat finanziert. Ich erhalte keine finanziellen Zuwendungen von in diesem Artikel genannten Unternehmen oder anderen Organisationen.