Nachdem ich in den letzten Jahren mit dem Zug vornehmlich durch Ost– und Nordeuropa sowie durch Asien gereist bin, sollte es diesmal direkt Richtung Süden gehen: mit dem Zug nach Italien. Warum ich mir das Land des „Dolce Vita“ ausgesucht habe, werde ich wohl kaum erklären müssen: kultureller Reichtum, mit fabelhafter Architektur und historischen Schätzen. Nicht zu vergessen die einzigartigen Landschaften und endlos langen Küstenstreifen. Und natürlich die Kunst des „Süßen Lebens“. Die herzlichen, unverstellten Menschen und das offen mediterrane Leben in den Gassen der alten Städte.
Der erste Ort, den ich auf meinen Reiseplan setzte, ist kein Geringerer als Venedig, die legendäre Lagunenstadt im Nordosten des Stiefelstaats. Für die einen die Fahrt an den Sehnsuchtsort schlechthin, für die anderen eine historische Studienreise. Für Viele auch beides. Auf jeden Fall ist Venedig eine einzigartige Stadt, die man als passionierter Reisender wohl mal besucht haben sollte.
Die Zugreise – durch die österreichischen Alpen, Südtirol und das Trentino – verwandelt den Trip nach Venedig in eine noch unvergesslichere Erfahrung. Auch bei Wind und Wetter. Mit dem Zug nach Venedig.
Welche Züge fahren nach Venedig?
Wer mit dem Zug von Deutschland aus nach Venedig reisen möchte, hat verschiedene Optionen zur Auswahl. Am attraktivsten sind zwei internationale Züge, die direkt zwischen München und Venedig verkehren, ganz ohne Umstieg. Dabei hast du die Qual der Wahl zwischen zwei grundsätzlichen Reisevarianten:
- Im Nachtzug mit dem ÖBB Nightjet NJ 40463 – Abfahrt München Hbf 23:20 – Ankunft in Venedig Santa Lucia 08:34 (verkehrt täglich)
- Tagsüber mit dem DB-ÖBB Eurocity 85 (EC 85) – Abfahrt München Hbf 11:34 – Ankunft in Venedig Santa Lucia 18:25 (verkehrt täglich)
Für mich persönlich fiel die Entscheidung zugunsten des EC 85 aus. Denn eine Zugfahrt durch die Alpen bei Tageslicht versprach ein Highlight zu werden. Eine dieser Reisestrecken, auf welche die Losung „Der Weg ist das Ziel“ zweifelsfrei zutrifft. Wenngleich auch dem Zielort Venedig sicher ein ganz eigenes Motto zusteht.

Im Gegensatz zu einem Liegeplatz im Nachtzug lässt sich ein Platz im Eurocity auch etwas spontaner buchen. In meinem Fall drei Wochen im Voraus. Die 2. Klasse war Ende August 2022 hoch ausgelastet. In der 1. Klasse gab es dagegen noch reichlich Sitzgelegenheiten. Wenn du dir also etwas mehr Komfort gönnen möchtest und kannst, hast du eine noch spontanere Reiseoption. Buchen kannst du die Tickets sowohl bei der Deutschen Bahn (DB) als auch bei der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB).

Für mich persönlich ist die Reservierung ohnehin reine Formsache. Die meiste Zeit streune ich durch den Zug und suche mir die besten Aussichtsfenster. Eigentlich verbringe ich die Zeit auf neuen Zugstrecken größtenteils im Stehen. Meine Aufregung lässt mich kaum stillsitzen. Ein schönes Feature auf dieser Strecke: der EC 85 fährt zwischen München und Verona ohne hintere Lok, sodass ich am Ende des Zuges freie Sicht auf die zurückliegende Landschaft genießen (und dokumentieren) kann.
Video: Im Zug von München nach Venedig
Im Zug nach Venedig – meine Eindrücke
Der Zug verlässt den Münchener Hauptbahnhof pünktlich um 11:34 h und macht sich langsam aber bestimmt auf den Weg durch den Südosten Bayerns zur österreichischen Grenze, mit einem letzten Halt auf deutscher Seite in Rosenheim. Auf der Strecke zur österreichischen Grenzstadt Kufstein kündigen sich im Panorama bereits die Alpen an. Ich betrachte das vorbeirauschende Geschehen bis hierhin noch durch das Seitenfenster meines reservierten Platzes im Großraum-Abteil. Grüne Wiesen und vereinzelte Gebirgsbrocken, die zunehmend zu einem voluminösen Konstrukt verschmelzen. Ab Innsbruck – spätestens – lässt sich die Dominanz der hochalpinen Landschaft nicht mehr leugnen. Von hier an blicke ich (fast) nur noch hinten hinaus – durch das hintere Fenster des letzten Waggons.

Von diesem exklusiven Stehplatz aus bestaune ich, wie sich die Gleise elegant und zielsicher durch das stolze Hochgebirge schlängeln. Mitunter denke ich, dass mir das durchwachsene Wetter mit der geschichteten Wolkendecke einen Strich durch die Rechnung macht. Letztlich bringt die Bewölkung jedoch eine verwunschene Ästhetik mit sich – und eine charakterliche Abwechslung, die sich nach Süden hin dann doch zunehmend in blaues und sonniges Wohlgefallen auflöst. Immer nur strahlend blau kann jeder. Jedenfalls im Jahr 2022. Der österreichische Schaffner fragt mich bei der Fahrkartenkontrolle, ob ich irgendetwas vermesse, weil ich meine Kamera aus dem Fenster halte. Ich bin offenbar verhaltensauffällig.
Wir durchfahren den berühmten Brennerpass, um die Alpen zu bezwingen. Daher blicke ich zumeist eher bescheiden von Unten nach Oben – weniger von hoch Oben hinab ins Tal. Der österreichisch-italienische Grenzort Brenner/Brennero leitet ein kurzes regnerisches Intermezzo ein. Die Fensterscheiben werden zunehmend von Regentröpfchen besiedelt. Südtirol zeigt sich von seiner besten Nebel-verschleierten Seite. Erst in Bolzano/Bozen beginnt sich der Himmel aufzulockern. Der sonnige Sommer kehrt langsam zurück ins Landschaftsbild.

So entwickelt sich schließlich die Fahrt durch das Trentino zu dem Lichtblick der gesamten Route. Jedenfalls hinsichtlich des Wetters. Ich treffe am Zugende einen mitreisenden Fotografen aus Dubai, der mir zu meiner Begeisterung kurzerhand die Time-Lapse-Funktion meines Smartphones erklärt. Das eröffnet mir eine neue Perspektive für die dynamische Bespielung meiner Social-Media-Kanäle. Wir sind uns zudem darüber einig, dass die farbliche Melange aus himmlischen Weiß und Blau die grün bedeckten Berge doch schöner begleiten als ein allzu knalliges Blau alleine. Wenigstens bilde ich mir die Einigkeit ein. Immerhin stimmt er mir zu. Ich bin tatsächlich angetan von dem wechselhaften Wolkenspiel.
Um 16:04 (+ 10 min Verspätung) verlassen wir die Provinzhauptstadt Trento/Trient in Richtung Rovereto. Kaffee-und-Kuchen-Zeit. Für mich persönlich schlicht Kaffee-Zeit. In einem um-funktionalisierten 6er-Abteil in der 2. Klasse wird Kaffee aus einem kleinen Vollautomaten serviert. Für beachtliche 3,50 € den Becher. Dazu gibt es eine kleine Auswahl an Snacks. Höherpreisiges Impro-Café. Teilweise bilden sich am Durchgang kleine Schlangen. Das Konzept des Bordbistros funktioniert eben immer. Unter allen Bedingungen.
Mit Heißgetränk geht es zurück ans Hinterfenster. Ich ahne noch nicht, dass man mir diese Aussicht bald nehmen wird. Ich genieße den sich langsam vollziehenden und sichtbare werdenden Übergang vom Trentino in die Region Venetien. Es geht vom westlichen Verona über Vicenza und Padua Richtung Lagunenstadt. Landschaft und Städte verändern sich. Jeder Halt eine Attraktion.
Verona im Speziellen wäre einen Ausstieg wert. Bei der Ein- und Ausfahrt in den Hauptbahnhof Verona Porta Nuova deutet sich an, dass wir hier gerade eine der wohl schönsten Städte Italiens passieren. Viele Passagiere steigen hier aus. Sicher nicht zu Unrecht. Aber wir sind ja schließlich auf dem Weg zu einer anderen berüchtigten Bellezza.
Leider wird mir von hier an tatsächlich der Blick durch das Hinterfenster durch eine angekoppelte hintere Lok versperrt. Ich schaue mir diesen Prozess wehmütig an und gebe meine Premium-Aussicht kampflos auf. Von hier an also wieder zum Seitenfenster hinausschauen. Übrigens scheint mir der Blick in Fahrtrichtung links der etwas schönere zu sein. Wenn man denn eine Wahl treffen muss. Ich neige nicht selten dazu, im Einstiegsbereich zwischen den Türen von rechts nach links zu wechseln, um mir bloß nichts entgehen zu lassen.

Landschaftlich wird es zunehmend flacher – und grüner. Aber das launisch-kreativ wechselnde Wetter mag hier auch den Eindruck beeinflussen. So oder so, das fühlt sich schon deutlicher nach Italien an. Venetien aus dem Bilderbuch – dem bunt ausgemalten Bilderbuch. Jetzt reihen sich die Städte mit bekannten Namen in kürzeren Abständen aneinander.

Weit kann es nicht mehr sein. Zugegeben: zwischen Vicenza und Venedig warten keine ganz großen szenischen Spektakel mehr. Muss auch nicht. Es gab viel zu sehen und zu genießen. Zudem sind wir in einer guten halben Stunde auch schon da: in der Stadt der ewigen Liebe. Oder eben fast.
Denn ich steige bereits eine Station vor dem Bahnhof Santa Lucia im historischen Stadtkern aus. Für mich endet die Reise vorläufig im Stadtteil Venedig Mestre, der sich auf dem venezianischen Festland befindet und mit etwas günstigeren Preisen aufwartet. Sowohl die Übernachtungspreise, als auch Gastronomie sind hier weitaus angenehmer als in der voll touristisierten Altstadt. Und die 1,40 € für ein Zugticket dorthin laden bei 10 Minuten Fahrtzeit pro Strecke durchaus zum Pendeln ein.

Die nähere Umgebung des Bahnhofs Mestre scheint vollständig auf die Unterbringung von Besucher:innen ausgelegt zu sein. Innerhalb eines kleinen Radius befinden sich zahlreiche Hotels und Hostels namhafter Ketten des Gastgewerbes. Reisebusse fahren an und ab. Menschen aus aller Welt bevölkern die Straßen, Restaurants und Terrassen. Ich checke in einem großen Hostel ein und mache mich am nächsten Morgen mit dem Regionalzug auf den Weg in das historische Zentrum (centro storico) Venedigs.
Bereits die Einfahrt über die Ponte della Libertà (oder präziser: Ponte Vecchio) ist beeindruckend. Hier nutze ich die neu erlernte Time-Lapse-Funktion meines Smartphones. Die Sonnenstrahlen kämpfen sich erfolgreich durch die Wolkendecke und heißen die Lagune und mich im neuen Tag willkommen. Ein Tag in Venedig.
Fazit
Die Reise mit dem Zug nach Venedig zählt auf jeden Fall zu jenen Bahnfahrten, die zu keinem Zeitpunkt langweilig werden. Ab München geht es durch drei Länder und quer durch die Alpen. Landschaftlich sicher eines der Highlights unter den Zugstrecken Europas. Dazu kommen spannende Orte unterwegs, die zu einem Zwischenstopp einladen: Rovereto, Verona,… Und das ganze praktisch „vor der Haustür“. Sieben Stunden dauert die Reise, und es gibt die Möglichkeit, es sich im Großraum oder im Abteil bequem zu machen. Der EC 85 ist ein moderner Zug mit klassischem Charme und großen Fenstern. Einzig die Kaffee-Versorgung an Bord war bei meiner Reise – angesichts des Preises – etwas eigen.
Infos und Tipps zum EC 85 von München nach Venedig
Ticketpreise
Die Kosten für die Fahrkarte in der 2. Klasse belaufen sich derzeit auf ca. 100 € (Stand: September 2022) pro Strecke. Je nach Preis-Kategorie (Super Sparpreis vs. Flexpreis) also zwischen 89,90 € und 113,20 €. Für die 1. Klasse kommen nochmal 70-80 € obendrauf. Am besten immer frühzeitig auf den Websites der Anbieter nachschauen.
Ein kleiner Spoiler: die Kosten für einen halbwegs komfortablen Aufenthalt in Venedig dürften die Kosten für diese Zugreise zumeist bereits nach einem Tag übersteigen. Gerade für Budget-bewusste Zugfans ist diese Reise daher ein geeigneter Ausflug für ein verlängertes Wochenende mit einer Tagesbesichtigung Venedigs. Oder zum weiterreisen.
Fahrplan EC 85
Bahnhof | Ankunft | Abfahrt |
München Hbf (DEU) | 11:34 | |
München Ost (DEU) | 11:44 | |
Rosenheim (DEU) | 12:12 | 12:13 |
Kufstein (AUT) | 12:34 | 12:36 |
Wörgl Hbf (AUT) | 12:44 | 12:46 |
Jenbach (AUT) | 12:59 | 13:01 |
Innsbruck Hbf (AUT) | 13:18 | 13:24 |
Brennero/Brenner (ITA) | 14:00 | 14:14 |
Fortezza/Franzensfeste (ITA) | 14:44 | 14:46 |
Bressanone/Brixen (ITA) | 14:55 | 14:56 |
Bolzano/Bozen (ITA) | 15:27 | 15:31 |
Trento (ITA) | 16:02 | 16:04 |
Rovereto (ITA) | 16:17 | 16:19 |
Verona Porta Nuova (ITA) | 16:58 | 17:10 |
Vicenza (ITA) | 17:35 | |
Padova | 17:56 | |
Venezia Mestre (ITA) | 18:12 | |
Venezia Santa Lucia (ITA) | 18:25 |
Weitere Quellen
- Offizielle Seite der ÖBB zum Italien-Angebot: obb-italia.com
- Offizielle Seite der DB zum Italien-Angebot: bahn.de
Hinweis: Alle in diesem Artikel beschriebenen Reisen wurden privat finanziert. Ich erhalte keine finanziellen Zuwendungen von in diesem Artikel genannten Unternehmen oder anderen Organisationen.