Marseille hat einen durchwachsenen Ruf – irgendwo zwischen gefährlich, kriminell, trendy und cool. Doch in den letzten Jahren hat sich in der südfranzösischen Hafenmetropole einiges getan.
Im Rahmen einer Zugreise durch Frankreich und Spanien war Marseille meine erste Station, und ich wurde wirklich positiv überrascht.
Vor allem die alternativen kulturellen Auswüchse im hippen Bohème-Viertel und in der stillgelegten Tabakfabrik haben mich umgehauen.
In dieser Stadt gibt es so viel zu entdecken, vom lebhaften Vieux Port bis zu versteckten urbanen Highlights.
In diesem Artikel findest du Tipps und Geheimtipps für die schönsten Sehenswürdigkeiten in Marseille.
Begleite mich auf einem Stadtrundgang, bei dem wir Marseille in seiner ganzen Vielfalt zu Fuß erkunden – von trendigen Kreativ-Hotspots bis zu den klassischen historischen Schmuckstücken.
1. Palais Longchamp
Meine kurzfristig gebuchte Unterkunft in Marseille liegt direkt gegenüber dem beeindruckenden Palais Longchamp.
Bereits am frühen Morgen werde ich auf dem Balkon mit einem fantastischen Ausblick auf diese prächtige Brunnenanlage sowie auf die majestätische Notre Dame de la Garde verwöhnt.
Der Palais Longchamp ist sicherlich eine der fotogensten Sehenswürdigkeiten von Marseille. Dieses architektonische Juwelchen wurde im Jahr 1869 erbaut und beherbergt neben dem imposanten Wasserspeicher noch das Musée des Beaux-Arts und das Naturhistorische Museum von Marseille.
Der Anblick der kleinen, aber imposanten Wasserfälle, die das Wasser aus dem Trinkwasserkanal in das Auffangbecken leiten, begeistert auch einige der anwesenden Instagram-Talente.
Ich persönlich bin besonders von den vier Bullen angetan, die ganz nonchalant auf der oberen Ebene der Wasserkaskade herumlümmeln.
Eigentlich bin ich gar nicht so der Bullentyp … und nachdem ich recherchiert habe, dass es sich um Camargue-Stiere handeln soll, die u. a. im südfranzösischen Stierkampf eingesetzt werden, fühle ich mich dem Stierkult noch weiter entfremdet.
Aber was soll’s: Die Statuen sind cool und vermitteln eine standhafte Lässigkeit!
Der Kanal wurde übrigens infolge einer Cholera-Pandemie angelegt, um die Stadt künftig mit ausreichend frischem Wasser zu versorgen – und der schmückende Monumentalbau des Palais ist auch heute noch eine technische und ästhetische Meisterleistung!
Ein schöner Start in das Marseille-Abenteuer!
Wo geht‚s lang?
📍 Palais Longchamp
Adresse: Bd. Jard. Zoologique, 13004 Marseille, Frankreich
Koordinaten: 43.30527120513212, 5.398306983379105
Plus Code: 893X+W2 Marseille, Frankreich
2. Zum Alte Hafen – Vieux Port
2.1. Auf der Canebière
Von meiner Unterkunft am Palais Longchamp mache ich mich auf den Weg, um Marseille zu Fuß zu erkunden.
Den Stadtrundgang habe ich nur grob geplant, um auch spontanen Ideen oder Überraschungen etwas Raum zu geben.
Um zur Hafenbucht des Vieux Port zu kommen, gehe ich praktisch schnurstracks ‒ mit einem kleinen Schlenker ‒ über die breite Einkaufsstraße La Canebière auf den Alten Hafen von Marseille zu.
Meinen ersten eindrucksstarken ‚Marseille-Moment‘ habe ich an der Ecke zwischen der St. Vincent de Paul Kirche, dem Kriegsdenkmal „Monument des Mobiles“ und dem kleinen Léon-Blum-Platz mit dem charmanten Musik-Pavillon.
Hier erfrische ich mich an dem charmanten gusseisernen Wallace-Trinkbrunnen und blicke hinunter auf die dezent belebte Canebière mit ihrer Platanenallee, den vielseitigen Bebauung und den Café-Terrassen hinunter.
Der Blick schweift hier weit den abfallenden Boulevard hinunter. Die Stadt präsentiert in ihrem Zentrum ihre ganz eigenen Vibes ‒ entspannt, urban, mediterran.
Auf dem Weg zum Vieux Port entdecke ich bereits einige Hinweise darauf, dass Marseille eine lange und stolze Seifen-Tradition hat. Die kleinen, hübschen Seifenläden sind mit Bedacht auf die touristischen Hotspots der Hafen-Metropole verteilt.
Die Geschichte des Marseiller Seifenhandwerks reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück, und so sind die ‚Savonnerie‚-Shops durchaus kulturhistorische Sehenswürdigkeiten ‒ und immer ein kleiner Hingucker.
💡 Wusstest du?
Die Marseiller Seife (Savon de Marseille) wird mit Olivenöl als Hauptbestandteil hergestellt und geht auf die altertümliche Aleppo-Seife zurück, deren Rezeptur sich im Rahmen der mittelalterlichen Kreuzzüge im Mittelmeerraum verbreitete.
Wo geht‚s lang?
📍 Monument des Mobiles
am Léon-Blum-Platz
Adresse: 71 All. Léon Gambetta, 13001 Marseille
Koordinaten: 43.29911540045666, 5.384848678825503
Plus Code: 79XM+JQ Marseille, Frankreich
2.2. Norman Fosters Spiegeldach
Am Kopf der Hafenbucht wartet nicht nur der tolle Rundblick über das altehrwürdige Seemannsquartier, sondern auch der moderne Spiegel-Pavillon „L’Ombrière de Norman Foster“ als erstes kleines Highlight.
Diese Spiegelüberdachung nehme ich wie den polaren Gegenentwurf des ‚Miroir d’eau‘ in Bordeaux wahr.
Statt den Himmel auf der Promenade zu spiegeln, wird hier der Kai im Himmel abgebildet.
Der schillernde „Sonnenschirm“ ist definitiv ein cooler Fotospot am Ableger der beliebten ➟Shuttle-Fähren, die hier in den Sommermonaten umherfahren.
Bon voyage!
Wo geht‚s lang?
📍 L’Ombrière de Norman Foster
Spiegeldach am View Port
Adresse: Quai de la Fraternité, 13001 Marseille, Frankreich
Koordinaten: 43.29469355804993, 5.374578166758447
Plus Code: 79VF+RJ Marseille, Frankreich
2.3. Südliche Hafenpromenade: ‘Quai de Rive Neuve’
Am Vieux Port gibt es sowohl links als auch rechts des Hafenbeckens einiges an Highlights zu entdecken.
Ich gehe zunächst links in Richtung der Zitadelle und sehe mir hier eine Galerie mit alten Segelbooten an, unter denen ich zunächst kein besonders herausragendes Wunderwerk des Schiffsbaus vermute.
Allerdings spricht mich auf der Promenade ein Passant an, dem es gelingt, mich auf Französisch auf das dort liegende Filmschiff „Marge“ aus dem Kino-Klassiker „Le plain Soleil’ mit Alain Delon aufmerksam zu machen.
Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich dieses cineastische Schmuckstück im Marseiller Jachthafen nicht aufrichtig gewürdigt habe und gehe nochmal ein paar Meter zurück, um ein Foto von dem Böötchen zu machen.
Wo geht‚s lang?
📍Citadelle de Marseille (Fort Saint-Nicolas)
Zitadelle von Marseille
Adresse: Mnt du Souvenir Français, 13007 Marseille, Frankreich
Koordinaten: 43.29279534212767, 5.364357987488051
Plus Code: 79R7+R6 Marseille, Frankreich
Website: https://citadelledemarseille.org/
2.4. Abtei Saint-Victor de Marseille
Die Zitadelle von Marseille ist an diesem Tag ‒ wie jeden Montag und Dienstag ‒ leider geschlossen.
Deshalb besuche ich stattdessen die Kirche St. Viktor, die man bis auf die Krypta kostenlos besichtigen kann.
Im Inneren dieser alten Mauern setze ich mich auf eine Bank und nehme den historischen Geruch in mich auf, der mich tatsächlich ein wenig bis ins 13. Jahrhundert zurückreisen lässt, als dieses monumentale Kirchenschiff erbaut wurde.
Mehr als 1000 Jahre zuvor wurde in der Nähe der Abtei der namensgebende römische Märtyrer Viktor von Marseille wegen seines hartnäckigen Bekenntnisses zum Christentum von seinen Kollegen in einer Getreidemühle zerquetscht.
Ja, und irgendwie finden diese Geschichten im Duft des Gemäuers ihre unvergängliche Resonanz.
Die Krypta von St. Victor, die mehrere antike Sarkophage und andere historische Artefakte beherbergt, kann man gegen eine geringe Gebühr besichtigen.
Da mein Grusel-Bedarf bereits gedeckt ist, verzichte ich aber auf diesen Exkurs.
Wo geht‚s lang?
📍Abtei Saint-Victor de Marseille
Mittelalterliche Kirche
Adresse: Abtei Saint-Victor 3 Rue De l’Abbaye, 13007 Marseille
Koordinaten: 43.29073061855445, 5.368060207321019
Plus Code: 79R8+46 Marseille, Frankreich
Öffnungszeiten: täglich 9:00‒19:00 Uhr
📌 Mein Tipp
Von der Abtei Saint Victor ist es zu Fuß gar nicht mehr so weit zur Basilika Notre Dame de la Garde.
2.5. Nördliche Hafenpromenade: ‘Quai du Port’
Rechts am Hafen liegt im Prinzip die historische Altstadt von Marseille, mit den mittlerweile legendären Gassen von Le Panier.
Von der anderen Ufer-Seite aus sind einige der pittoresken Wahrzeichen im touristischen Herzen Marseilles bereits zu sehen.
Der Bus Nr. 60 startet und endet hier auf der Höhe des großen Museums MuCEM, dem Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers.
Allein das moderne, museale Bauwerk ist imposant, und die schmale, neu gebaute Fußgängerbrücke zum alten Fort Saint-Jean von 1880 macht das ganze Ensemble noch beeindruckender.
Der Eintritt in das Museum kostet 11 Euro ‒ diese Extraportion Kultur habe ich mir aus Zeitgründen leider nicht gegönnt.
Wenn man nur für einen Tag in Marseille ist, muss man leider Entscheidungen treffen.
In meinem Fall hat das Museum gegen die Basilika Notre Dame de la Garde und die allgemeinen Vibes in den Straßen der Hafenstadt verloren.
Gegenüber dem MuCEM und am Eingang zur Altstadt steht die noch relativ junge Kathedrale von Marseille aus dem Jahr 1852. Ihre neoromanisch-byzantinische Fassade ist ein echter Hingucker mit coolen Details – selbst bei Regen.
Tatsächlich sieht sie der dominenten Notre Dame recht ähnlich und stellt offensichtlich auch eine filmreife Kulisse dar.
Bei meinem Besuch ist jedenfalls eine professionelle Film-Crew in der Nähe, die scheinbar im Begriff ist, packende Action-Szenen auf der Straße zwischen MuCEM und Kathedrale zu drehen.
Da ziehe ich mich doch lieber in die schnuckelige Altstadt von Marseille zurück – wenn sie denn wirklich so schnuckelig ist…?!
Wo geht‚s lang?
📍MuCEM
Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers
Adresse: 1 Esp. J4, 13002 Marseille
Koordinaten: 43.29707397358563, 5.366004342142058
Plus Code: 79W6+MC Marseille, Frankreich
Website: http://mucem.org/
📍Kathedrale von Marseille
Adresse: Pl. de la Major, 13002 Marseille
Koordinaten: 43.29967800780142, 5.364759879476008
Plus Code: 79X7+PV Marseille, Frankreich
3. Die Gassen der Altstadt | Le Panier
Von der Kathedrale schlendere ich direkt in die Gassen des alten Viertels „Le Panier“.
Hier sollen die alten Griechen (oder der alte Grieche an sich?! 🤔) schon um 600 v. Chr. ihre Kolonie Massalia gegründet haben.
Die Fülle an Streetart hat es in der Antike so vermutlich noch nicht gegeben. Überall sehe ich ausdrucksstarke Murals, und ineinandergreifende Graffiti-Bilder, schmücken die Mauern in den alten, verwinkelten Gassen.
Hier und da dringen Marseiller Hip-Hop-Beats aus den Ecken. Tatsächlich sollte man La Panier und dessen kunstvolle, urbane Erscheinung auch nicht zu sehr romantisieren.
Denn nicht alle Bewohner:innen des Viertels sind begeistert vom touristischen Boom❗
Eines meiner Fotos wird etwa mit dem Doppel-Stinkefinger eines wütenden Anwohners geschmückt. Eindeutige Handgesten überzeugen mich indes davon, mich wieder zurückzuziehen.
Der oft gesuchte „authentische Charme“ kann hier durchaus ambivalent wirken, da er auch von der Verteilung der Privilegien abhängt.
Die Gentrifizierung dieses ältesten besiedelten Stadtteils hat von Beginn an Proteste mit sich gebracht ‒ besonders seit dem Jahr 2013, als Marseille Kulturhauptstadt wurde.
Trotz dieser Zwiespältigkeit lohnt sich ein Besuch wegen der beeindruckenden Straßenkunst, den coolen Boutiquen und den entspannten Cafés und Restaurants – beim Fotografieren aber immer mit etwas Vorsicht und Respekt!
Wo geht‚s lang?
📍Rue du Panier
Historische Gasse in der Altstadt
Adresse: Rue du Panier, 13002 Marseille, Frankreich
Koordinaten: 43.29939846432576, 5.366981824356782
Plus Code: 79X8+PM Marseille, Frankreich
4. Auf zur Basilika Notre Dame de la Garde
Selbst wenn du für Kirchen und Ikonen nichts übrig hast, wird sich der Aufstieg zur Basilika Notre Dame de la Garde lohnen … versprochen!
Das Wahrzeichen von Marseille thront auf dem Hügel La Garde und bietet vor allem einen fantastischen Ausblick auf den Hafen und die Umgebung.
Die Basilika wurde 1853 erbaut und fällt insbesondere durch ihre neuromanisch-byzantinische Architektur und den imposanten Glockenturm auf, auf dem eine 11 Meter hohe, güldene Madonna platziert ist.
Dieser exponierte Blickfang ist in der Stadt praktisch allgegenwärtig und wird von den Bewohner:innen liebevoll „La Bonne Mère’ genannt: ‚Die Gute Mutter‘.
Der Hügel selbst war aber schon lange vor der Fertigstellung der Basilika von Bedeutung ‒ spätestens seit 1524, als man dort aus guten Gründen eine Festung gebaut hat.
Um auf den Gipfel und zur ‚Bonne Mère‘ zu gelangen, nimmst du am besten den Bus Nr. 60 ‒ gewissermaßen eine Touristenlinie, die zwischen der Altstadt (am MuCEM) und der Notre Dame de la Garde pendelt.
Wenn der Bus nicht kommt – einfach laufen. Ich habe selbst vergeblich zwei fahrplanmäßige Abfahrten abgewartet.
Vom Hafen aus dauert es ca. 30 bis 45 Minuten, je nach Ausgangspunkt und Fitness.
Der Aufstieg ist nämlich ziemlich anstrengend, aber die malerische Aussicht oben entschädigt selbstverständlich für die körperlichen Strapazen.
Auf der Aussichtsplattform kannst du an kleinen Ständen hochpreisigen Softdrinks kaufen, falls du nicht selbst an Wasser gedacht hast und auch den Trinkwasser-Brunnen am Fuße der Treppe zur Basilika verschmähst.
📌 Wenn du das Marseille-Tourismus-Game durchspielen möchtest, kannst du auch den „Petit Train de Marseille“ nehmen. Der kleine Zug versorgt dich zwischen MuCEM, Vieux-Port und der Notre Dame mit Infos zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der alten Hafenstadt. Eine Rundtour von ca. 1:15 Std. kostet für Erwachsene 10 Euro.
Von der Basilika und deren Vorplatz hat man freien Blick über die Stadt bis zu den Sehenswürdigkeiten der Altstadt, über den alten Hafen und die Küste bis zur Côte Bleue.
Natürlich ist hier am Wahrzeichen von Marseille immer viel los ‒ deshalb vielleicht schon sehr früh kommen, um ein bisschen Ruhe zu genießen.
Beim Abstieg über die große Treppe bekomme ich nochmal das imposante Bild der vergoldeten Madonna mit Kind in mein Blickfeld.
Ich weiß nicht, ob das jetzt blasphemisch ist, aber das Bild erinnert mich irgendwie an die Szene, als Michael Jackson sein Baby aus dem Fenster des Adlon-Hotels hielt… nun denn…
Wo geht‚s lang?
📍Basilika Notre Dame de la Garde
Adresse: Rue Fort du Sanctuaire, 13006 Marseille
Koordinaten: 43.2840623600243, 5.371112373779524
Plus Code: 79MC+HF Marseille, Frankreich
Öffnungszeiten: täglich 7:00‒18:00
5. Streetart rund um den Cours Julien
Eine vollkommen andere Art von Eindrücken bekomme ich im Künstler- und Bohème-Viertel „Notre-Dame-du-Mont„, das etwa 15 Minuten zu Fuß vom Alten Hafen entfernt liegt.
Insbesondere die Straßenzüge rund um den Cours Julien sind legendär für die Perfektion der Streetart-Kultur. Ehrlich gesagt habe ich so etwas noch nie in einer anderen Stadt gesehen ‒ jedenfalls nicht in diesem Ausmaß.
Was hier wirklich flächendeckend an den Wänden und Mauern in den Gassen zu sehen ist, lässt meine Kinnlade fallen – bis zum Anschlag!
Der Cours Julien ist eines dieser berüchtigten Viertel, die früher als gefährlich galten und sich inzwischen zu Kreativ-Hotspots und Szenevierteln entwickelt haben.
Rund um den zentralen Platz des Cours versammeln sich entspannte Menschen in Bars, Cafés, Restaurants und auf stilvoll gestalteten Terrassen.
Mittwochmorgens öffnet in der Nähe der Bio-Bauernmarkt La Plaine, den ich selbst zwar nicht erlebt habe, der aber als der populärste seiner Art in der Stadt gilt.
Bisweilen als das „Kreuzberg von Marseille“ bezeichnet, sollte man eigentlich umgekehrt den Cours Julien als den kulturellen Referenzpunkt betrachten – zumindest wenn es um Streetart geht.
Mich persönlich erinnert diese Gegend durch ihre dicht gepackte ‚Alternativkultur’ an das Berliner RAW-Gelände oder die Freistadt Christiania in Kopenhagen – allerdings als Wohnquartier nahtlos in die Stadt integriert.
Ich habe kürzlich erst begeistert über das ➟Warschauer Viertel ‚Praga’ geschrieben, wo noch ein stetiger kreativer Wandel im Gange ist.
Vielleicht werden Praga und andere aufstrebende urbane Viertel in Europa eines Tages im Stil des Cours Julien ihre kulturelle Vollendung finden.
Und dann lese ich tatsächlich, dass der Stadtteil ‘Notre-Dame-du-Mont’ erst im September 2024 vom britischen Magazin ➟TimeOut zum „Coolsten Viertel der Welt“ gewählt wurde!
Und ich sach’s noch!
Hier lohnt es sich wirklich, alle Ecken und Winkel der umliegenden Gassen aufmerksam zu erkunden, um sich von der Vielzahl an Graffiti-Bildern, Murals, Stencils und anderen kreativen Werken umhauen zu lassen.
Allerdings gibt es auch Kritik an der Graffiti-Kultur am Cours Julien, insbesondere an der Qualität der zahlreichen Tags und dem Zustand einiger klassischer Kunstobjekte im Viertel.
Auf der Website von France Bleu findest du dazu einen kritischen Artikel von Christophe Van Veen mit dem Titel ➟Graffiti und Tags locken Touristen nach Marseille: Warze oder Straßenkunst? (28.11.2024, auf Französisch).
Wo geht‚s lang?
📍Cours Julien
Adresse: 13006 Marseille, Frankreich
Koordinaten: 43.29440458599518, 5.383348464200967
Plus Code: 79VM+Q7 Marseille, Frankreich
📍Marché de la Plaine
Adresse: Pl. Jean Jaurès, 13001 Marseille, Frankreich
Koordinaten: 43.29501637219178, 5.38727464107611
Plus Code: 79VP+WG Marseille, Frankreich
6. La Friche la Belle de Mai
Mein ganz persönliches Highlight in Marseille hat ebenfalls viel mit Streetart und Bohème-Kultur zu tun ‒ und mit urbaner Industriekultur.
Die Friche la Belle de Mai befindet sich etwas abseits der touristischen Zentren von Marseille und ist ein ziemlich cooles Beispiel für die nachhaltige Revitalisierung verlassener Industrieanlagen.
Mein Gastgeber in der Unterkunft am Palais Longchamp meint, ich solle da unbedingt mal hin, als ich ihn nach Streetart Hotspots in Marseille frage. Schließlich ist es von dort aus nur ein 10-minütiger Fußweg, der unter anderem durch einen kunstvoll verzierten Tunnel zur Friche la Belle de Mai führt.
Auch vom Bahnhof Saint-Charles aus sind es gerade mal zehn Minuten zu Fuß. Wenn du tagsüber mit dem Zug in Marseille ankommst, könntest du also erst mal zur Friche laufen, um bei einem Kaffee oder Softdrink zu relaxen.Danach bist du auf jeden Fall motiviert und voller Energie, um Marseille an einem Tag zu Fuß zu entdecken.
Was genau aber ist „La Friche“?
„La friche“ heißt auf Deutsch „Brache“ und bezeichnet hier eine ehemalige Tabakfabrik, die sich seit ihrer Schließung 1990 zu einem großen Kulturkomplex am Rande des Stadtteils Belle de Mai entwickelt hat.
Künstler:innen besetzten die leerstehenden Räume und erschufen über die Jahre einen Raum für unabhängige und authentische Kunst.
In der Friche findest du Ausstellungsräume, Ateliers, einen Club, Radiostationen, eine kleine Buchhandlung und ein Café mit einer kleinen 3D-Bilderausstellung.
Im Außenbereich kann man es sich bei schönem Wetter ‒ und sicher auch bei Wind und Regen ‒ auf Bänken neben dem Basketball Court gemütlich machen.
Ich schaue mir das Gelände vor der Weiterfahrt auf meiner Zugreise nach Spanien an einem sonnigen frühen Morgen an – es ist noch ruhig, aber auch belebt.
So richtig der Bär steppt hier natürlich erst nachmittags und abends.
Mir ist es recht – ich liebe die Atmosphäre an solchen ‚offenen‘ Orten, die mit ihrer ganz eigenen Dynamik in den Tag starten. Geschäftig, aber mit einer gewissen légèreté, die sich vom stressigen Großstadtbetrieb wohltuend abhebt.
Ich trinke einen Kaffee für nur 1,50 Euro auf der Terrasse des großen Restaurants in der zweiten Etage.
Das Areal befindet sich direkt neben den Bahngleisen, und ich sehe TGVs und Regionalzüge vorbeiziehen, während einige Leute ihren Arbeitstag am Laptop beginnen oder einfach erstmal chillen.
Ich könnte hier stundenlang über das Gelände schlendern und mir die zahlreichen Graffiti-Pieces am Skatepark und Basketball Court anschauen.
Oder vielleicht noch einen Kaffee im Bistro am Eingang?
Oder ein wenig relaxen in der Leseecke, die mit extrem sehenswerten Murals geschmückt ist – während ein paar Meter weiter ein Streetdance-Coaching stattfindet … !?
Wo geht‚s lang?
📍Friche la Belle de Mai
Kulturzentrum in ehemaliger Fabrik
Adresse: 41 Rue Jobin, 13003 Marseille
Koordinaten: 43.31095322890295, 5.393733636663874
Plus Code: 896R+36 Marseille, Frankreich
Website: https://www.lafriche.org
7. Geheimtipp Marseille: Tunnel der 1000 Zeichen
Diese Entdeckung mache ich zufällig, als ich zu Fuß auf dem Weg zum Kulturareal ‚La Friche’ bin.
Der Tunnel Benédit-Jobin, auch bekannt als „Tunnel der tausend Zeichen“, verbindet nämlich die Stadtteile Longchamp und Belle de Mai in Marseille.
Seit 2013 erstrahlt diese einst triste Unterführung dank des Projekts MP2013 in neuem Glanz: Mit 460 auf Schilder gedruckten Kunstwerken, die Graffiti-Art, Tattoo-Kunst, Comics, Werbe- und Stammeslogos vereinen, hat sich der Tunnel in eine Freiluftgalerie verwandelt.
Der Marseillaiser Künstler Frédéric Clavère gestaltete den Tunnel mit individuell ausgewählten Motiven der Anwohner und schuf so eine farbenfrohe Galerie, die den Spaziergang zwischen den Stadtteilen ziemlich unterhaltsam gestaltet.
Unter den Highlights befinden sich Bilder aus Monty Python Sketches, wie dem „Das Ministerium für alberne Gangarten„, sowie ein Schild mit dem alten Logo des Düsseldorfer Senfs. Auch einige politische Botschaften sind zu entdecken, die zum Nachdenken anregen.
Wo geht‚s lang?
📍Tunnel des 1000 Signes
Tunnel der 1000 Zeichen
Adresse: Rue Bénédit, 13004 Marseille
Koordinaten: 43.30991342994172, 5.393733636663874
Plus Code: 895R+MF Marseille, Frankreich
8. Bahnhof Marseille Saint Charles
Bei meiner Marseille-Tour bin ich am Bahnhof Saint-Charles angekommen und auch wieder abgefahren. Angereist mit dem TGV-Zug aus Mannheim, abgereist mit dem InterCity nach Béziers.
Nach meinen Erfahrungen empfehle ich unbedingt, deine An- und/oder Abreise bei Tageslicht zu planen, denn den Blick vom Bahnhofsvorplatz auf die Notre Dame de la Garde solltest du auf keinen Fall verpassen!
Auch der Bahnhof selbst ist beeindruckend und sollte bei einem Stadtrundgang durch Marseille nicht fehlen ‒ auf für Nicht-Bahnreisende.
Er wurde Mitte des 19. Jahrhunderts nach den Entwürfen von Joseph-Antoine Bouvard auf einem Plateau erbaut und später um die monumentale Treppe ergänzt, die ihn mit dem Boulevard d’Athènes verbindet.
Die Fassade des Bahnhofs zieren Stadtwappen, darunter das von Marseille und zwölf weitere Wappen französischer Städte, die einst die regionalen Zugverbindungen repräsentierten.
Für mich ist hier aber der Blick die Treppe hinauf zum Bahnhof das große Highlight – sowohl bei Tag als auch bei Nacht.
Besonders spannend finde ich die fast einzigartige Perspektive, denn die Treppe läuft nicht direkt auf die Front des Bahnhofs zu, sondern in einem etwa 45-Grad-Winkel.
Die lässig figurierten Gusseisen-Laternen sowie die historischen Säulen und Skulpturen setzten der Ästhetik nur noch die Ä-Tüpfelchen auf.
Im Jahr 2007 gesellte sich noch die Halle Honnorat zu dem Bahnhofs-Komplex in Marseille hinzu. Die moderne Halle beherbergt den Busbahnhof und ergänzt damit die Infrastruktur für Backpacker und andere Reisende in Marseille und Südfrankreich.
Wo geht‚s lang?
📍Bahnhof Marseille-Saint-Charles
Adresse: Sq. Narvik, 13232 Marseille
Koordinaten: 43.30293500486969, 5.381332626404312
Plus Code: 893J+35 Marseille, Frankreich
📌 Mein Tipp am Rande
Die Drogenhändler vor dem Bahnhof kann man einfach ignorieren oder selbstbewusst mit einem „Non“ über das eigene Desinteresse aufklären, wenn man etwas angeboten bekommt.
Fazit
Marseille ist definitiv eine der coolsten Großstädte Europas im Moment. Ich weiß nicht, ob sie sich noch im Wandel befindet, oder ob da noch was kommt.
Doch die alternative Szene und vor allem die beeindruckende Streetart-Kultur in Marseille suchen bereits jetzt ihresgleichen.
Die absoluten Highlights für einen Stadtrundgang durch Marseille sind für mich der bunte Cours Julien und seine Umgebung mit ihrer rauen Authentizität sowie das ehemalige Fabrikgelände der Friche la Belle de Mai.
Daneben gibt es natürlich noch die ganz klassischen Sehenswürdigkeiten in Marseille, wie den Palais Longchamp mit seinen coolen Wasserfällen, den lebendigen Vieux Port und die wahrhaft herausstechende Basilika.
Und die Stadt ist nicht wirklich riesig, sodass du Marseille ganz entspannt zu Fuß erkunden kannst.
Ein einziger Tag reicht natürlich nicht, um sich alles genau anzusehen ‒ aber man ’schafft‘ eine Menge, ohne sich dabei stressen zu müssen.
Marseille hat seit jeher mit einem schlechten Image zu kämpfen, bedingt durch die vergleichsweise hohe Kriminalitätsrate.
Am späten Abend nach meiner Ankunft am Bahnhof fühlte ich mich auf dem Weg zum Palais Longchamp tatsächlich etwas unwohl, empfand ich die Stadt insgesamt aber nicht wirklich als gefährlich.
Am besten hält man sich von den „Problemvierteln“ fern und unternimmt nach Einbruch der Dunkelheit keine Ausflüge in den Norden der Stadt.
Tourist:innen mit Kameras werden in einigen Vierteln, inklusive der Altstadt, nicht unbedingt von allen Anwohnern willkommen geheißen.
Daher sollte man beim Fotografieren immer darauf achten, wen man eventuell gerade (im Hintergrund) vor der Linse hat.
📌 Warst du auch schonmal in Marseille?
- Welches sind deine Lieblingsorte und Top-Sehenswürdigkeiten in Marseille❓
- Hast du weitere interessante Tipps für eine Reise nach Südfrankreich❓
- Ich bin gespannt, 👇 in den Kommentaren 👇 von deinen Erfahrungen zu lesen und freue mich auch auf deine Fragen.
☞ Kontaktiere mich auch gerne auf meinen Social Media-Kanälen oder per E-Mail: hello@east-rail-stories.de
👉 Diese Artikel könnten auch spannend für dich sein
FAQ
Was sollte man über Marseille wissen?
Marseille ist die zweitgrößte Stadt Frankreichs und liegt direkt am Mittelmeer.
Die Hafenstadt ist bekannt für ihre reiche Geschichte, ihre multikulturelle Atmosphäre und ihre beeindruckende Kreativ- und Streetart-Szene.
Neben klassischen Sehenswürdigkeiten wie der Basilika Notre Dame de la Garde und dem Vieux Port bietet Marseille eine Vielzahl subkultureller Highlights in den alternativen Vierteln.
Ist Marseille ein gutes Urlaubsziel?
Ja, Marseille ist ein faszinierendes und abwechslungsreiches Reiseziel.
Es bietet eine Mischung aus historischen Sehenswürdigkeiten, einer lebendigen Kultur, einer schönen Küstenlandschaft und einem aufregenden Nachtleben.
Vor allem für Kunst- und Street-Art-Liebhaber hat die Stadt viel zu bieten.
Wie heißen die Bewohner:innen von Marseille?
Die Bewohner:innen von Marseille werden Marseillais genannt.
Kann man in Marseille Leitungswasser trinken?
Ja, das Leitungswasser in Marseille ist trinkbar und erfüllt die europäischen Trinkwasserstandards.
Viele Einheimische und Tourist:innen trinken es bedenkenlos.
Ist Marseille gefährlich für Tourist:innen?
Wie in jeder Großstadt gibt es auch in Marseille Viertel, in denen man als Tourist:in vorsichtig sein sollte.
Es ist ratsam, besonders in der Nacht die Viertel im Norden der Stadt zu meiden und in weniger belebten Gegenden aufmerksam zu sein.
Was sind die besten Geheimtipps in Marseille?
Zu den Geheimtipps in Marseille gehören der Tunnel der 1000 Zeichen, die Kulturoase Friche la Belle de Mai und die Street Art rund um den Cours Julien.
Empfehlenswert sind auch ein Spaziergang durch das authentische Viertel Le Panier und ein Besuch der weniger touristischen Straßen der Altstadt.
Welches sind die schönsten Sehenswürdigkeiten in Marseille?
Zu den schönsten Sehenswürdigkeiten von Marseille gehören der Alte Hafen, die Basilika Notre Dame de la Garde, der Palais Longchamp, die Kathedrale von Marseille und das MuCEM.
Auch das Viertel Le Panier und der Cours Julien sind einen Besuch wert.
Wo liegt Marseille?
Marseille liegt in Südfrankreich an der Mittelmeerküste. Sie ist die Hauptstadt des Departements Bouches-du-Rhône und der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur.
Wie komme ich zur Notre Dame de la Garde?
Am besten erreicht man Notre Dame de la Garde mit dem Bus Nr. 60, der zwischen der Altstadt (am MuCEM) und der Basilika pendelt. Alternativ kann man auch zu Fuß gehen, was je nach Startpunkt und Kondition etwa 30 bis 45 Minuten dauert.
❗Hinweis
Alle in diesem Artikel beschriebenen Reisen wurden privat finanziert. Ich erhalte keine finanziellen Zuwendungen von in diesem Artikel genannten Unternehmen oder anderen Organisationen.